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Archimedes
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Datum: 24.04.2016
Uhrzeit: 12:57
ID: 55591



AW: Sollte man die HOAI kippen? #20 (Permalink)
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Zitat:
Zitat von Tom Beitrag anzeigen
Der Architekt muss an erster Stelle den techn. und wirtschaftlichen Nutzen für den Bauherrn maximieren, als ginge es um seine eigene Investition, und freut sich, wenn er am Schluss dafür gnädig ein Trinkgeld erhält, das nach HOAI festgeschrieben ist. - Leicht überspitzt gesagt ...
Das trifft es ziemlich genau, wobei das der Bauherr naturgemäß anders sieht und den Architekten, bis auf wenige Ausnahmen, sehr gut bezahlt findet.

In meinem Büro habe ich den Brief eines Rechtsanwaltes an mich aufgehangen. Er hatte mich vor ca. 3 Jahren gefragt, ob ich ein altes Wohngebäude, welches er beabsichtigte zu kaufen für ihn in Augenschein nehmen könnte und meine Meinung dazu abgeben könnte.
Ich hatte ihm damals also meine Leistungen für eine Ortsbesichtigung (15 km vom Büro entfernt) mit kurzer schriftlicher Stellungnahme angeboten. Insgesamt hatte ich dafür 3,0 Architektenstunden à 66,00 Euro/netto zzgl. Fahrtkosten veranschlagt und angeboten. Erfahrungsgemäß passt das zeitlich.
Der Besichtigungstermin kam allerdings nicht zu Stande, weil er kurzfristig ein anderes Objekt gekauft hat.
In dem o.g. Brief bedankte er sich anschließend bei mir für die grundsätzliche Bereitschaft das Haus kurzfristig zu besichtigen und das für ein, so wörtlich: "vergleichsweise geringes Honorar".
Das sagt mir, dass sich andere Berufsgruppen, gerade Freiberufler, längstens darüber wundern und amüsieren für welche Stundenlöhne wir uns verkaufen, um nicht zu sagen, prostituieren.
Selbst einige Bauherren haben mir schon nach Abschluss der Maßnahme mitgeteilt, dass sie die Architektenkosten voll und ganz nachvollziehen können und die Kosten absolut gerechtfertigt waren.
Das aus dem Mund eines privaten Bauherren, der uns in den vorangegangenen 18 Monaten rund 45.000 Euro für die Planung und Betreuung seines Einfamilienhauses (Größenordnung 380.000 Euro Baukosten) überwiesen hatte.

Zur HOAI: Es gibt ja seit Jahrzehnten eine Parallelwelt zur HOAI, die selbst öffentliche Auftraggeber regelmäßig nutzen.
Ich spreche hier von Pauschalen für gewisse Leistungen und Abrechnungen über Stundensätze, die für sich betrachtet zwar an der HOAI anlehnen, aber doch sehr individuelle Leistungspakete zulassen.
Man darf dabei nie vergessen, dass die HOAI ein reines Preisverzeichnis für die dort beschriebenen Leistungen ist, aber keiner schreibt direkt vor, dass die dort beschriebenen Leistungen auch alle und in dieser Reihenfolge zu erbringen sind. Es ist ein Vorschlag und viele Verträge orientieren sich an den Leistungsphasen der HOAI, aber eigentlich gilt nur das BGB und die im Vertrag festgeschriebenen Leistungen. Die können nach HOAI sein, müssen es aber nicht.

Diesen Gestaltungsspielraum nutze ich auch bei meinen Angeboten.

Für viele Privatkunden mit relativ einfachen Anforderungen an Wohngebäude wähle ich zusammen mit den Kunden die sinnvollen Leistungen aus dem Leistungskatalog aus. Eine Kostenberechnung nach DIN 276 gehört für den Privatmann da normalerweise nicht dazu. Da reicht oft eine gute Gewerkeschätzung. Ebenso sind keine 5 unterschiedlichen Entwurfsvarianten erforderlich, die die LPH. 3 theoretisch vorsieht, damit man sie voll ansetzen und abrechnen darf.
So kann ich maßgeschneidert auf den Kunden bereits Entwurfs- und Genehmigungsplanungen einschl. einfacherer 3D-Darstellungen, die gar nicht im HOAI-Leistungspaket enthalten sind, ab ca. 65,0 Stunden Gesamtumfang anbieten. Nach HOAI (Lph. 1-4) würden da ganz andere Werte herauskommen, wenn man alle HOAI-Leistungen bearbeitet und die jeweiligen Prozente voll ausschöpft. Diese Leistungen braucht der normale Privatkunde aber häufig gar nicht in Gänze.
Natürlich gibt es Privatkunden mit exklusiveren und schwierigen Planungen, die in diesem Stadium durchaus mehr als 200,0 Stunden Gesamtumfang in Anspruch nehmen. Das findet bei mir Berücksichtigung und die Kunden bezahlen dann auch z.B. ca. dreimal soviel für den Leistungsumfang, wie die "Einfacheren". Das stumpfe Abrechnen nach HOAI in Bezug auf die Baukosten macht in diesem Bereich absolut keinen Sinn, da die anrechenbaren Baukosten häufig kein Gradmesser oder Spiegelbild für die Komplexität eines Projektes und die Individualität und Anspruchsdenken des Kunden sind.
Wenn ich beim Kunden mit dem ersten Entwurf einen Volltreffer lande, den ich ebenfalls gut finde, dann muss ich ihm ja nicht noch zwanghaft 3-4 andere Möglichkeiten unter die Nase halten, die ich allesamt erzwungen und schlechter finde, nur weil ich die LPH.3 nach HOAI voll abrechnen möchte. Der Kunde fragt sich ja dann auch, was ich von ihm will, wenn er sich bereits für einen Entwurf entschieden hatte.

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man nachvollziehbar und transparent anbietet und abrechnet, das sich die Leistungen an den Leistungen nach HOAI abgleichen lassen und gewisse Mindeststundenlöhne, die, nach meiner Erfahrung, nie unter 50 Euro/netto Stunde liegen können/konnten, und gewisse Mindestleistungspakete die nicht unterschritten werden.

Geändert von Archimedes (24.04.2016 um 13:12 Uhr).

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