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Archimedes 05.01.2016 22:46

Sterblichkeit unter Architekten
 
Der Titel hört sich krass an, aber nachdem ich heute wieder die Todesanzeige eines Architekten mit eigenem Büro aus meiner Nähe gelesen habe, der plötzlich mit 51 Jahren aus dem Leben geschieden ist, beschäftigt mich das Thema erneut.
Das ist nun der dritte selbständige Architekt der aus meiner Nähe in den vergangenen Jahren recht jung und plötzlich verstorben ist. Zwei andere hat es mit 45 und 59 Jahren erwischt. Hinzukommen ein paar Kollegen, die relativ schwer erkrankt und arbeitsunfähig sind.

Sicher nicht ungewöhnlich, dass auch Leute in diesem Alter sterben oder erkranken, aber die Frage ist, ob es irgendwo Studien oder Statistiken darüber gibt, ob Architekten früher sterben als andere vergleichbare Berufsgruppen?

Lang 06.01.2016 13:46

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
... und ich hab mich immer gefragt, wieso man so wenige Kollegen jenseits der 45 sieht.

Spass bei Seite: ne Statistik kenn ich nicht, aber wenn man sich die Arbeitsbelastung und den Stress anschaut, kann man sich schon vorstellen, das man in dem Beruf nicht alt wird.

Baumplanerin 11.01.2016 17:57

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Kann ich jetzt nicht bestätigen, in der letzten Bürogemeinschaft, bei der ich freie Mitarbeit gemacht habe, gab es drei Architekten, die noch aktiv gearbeitet haben: 70,72 und 78 Jahre alt.
Auch der neue Nachbararchitekt ist schon über 60.
Auch bei Landschaftsarchitekten kenne ich schon einige in der Altergruppe 60+

Archimedes 11.01.2016 18:18

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Klar, ich kenne auch viele aktive Architekten über 60 und über 70 Jahre.
Mein Ex-Chef ist vor wenigen Monaten 80 Jahre alt geworden und noch aktiv.

Keine Frage, dass es diese Leute gibt, aber wieviele haben es gar nicht bis zum Alter von 60 Jahren geschafft oder sind vorher berufsunfähig geworden?

Ich habe den Eindruck, dass diese Zahl unter Architekten durchaus höher sein könnte, als in vielen anderen Berufsgruppen. Ich meine damit vorrangig keine psychischen Erkrankungen oder das typische Burn-Out-Syndrom, sondern Erkrankungen wie Parkinson, Krebs und Todesursachen wie Herzinfarkt, Gehirnschlag etc...

Gründe sehe ich tatsächlich auch beim Streß/Ärger und beim Zeiteinsatz für den Job, der einem weniger Zeit für Sport, gesunde Ernährung, Schlafen, Urlaub, Wellness als anderen Mitmenschen lässt.

raykip 14.01.2016 00:51

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Stimmt schon ... der Zeiteinsatz ist schon relativ hoch und die Schlussfolgerung daraus auch nachvollziehbar...

Baumplanerin 15.01.2016 11:56

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Aber das ist er doch in anderen Berufen teils auch.
Meine eine Auftraggeberin war auch so eine total sich reinsteigernde und wurde dann ernsthaft krank. Nach ihrer (vorläufigen, in dem Fall kann man immer nur von vorläufig reden) Heilung lässt sich es jetzt wirklich ruhiger angehen. Dem Erfolg des Büros hat das keinen Abbruch getan. Es ist halt auch eine Frage der Persönlichkeit und welche Konsequenzen man aus Umständen wie ernsthaften Erkrankungen zieht.
Ähnlich ging es zwei meiner Mitabsolventen, beide hatten mit um die 30 ein Art Burnout oder massive gesundheitliche Probleme. Die eine macht jetzt nur noch 35 Stunden nach Kündigung ihrerseits, die andere hat auch das Büro gewechselt.

Es mag aber gut sein, dass sich bei Architeklten besonders viele zur Selbstaufgabe bereite Menschen tummeln.

numerobinchen 15.01.2016 19:43

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Naja, bei den vielen Absolventen und der hohen Architektendichte in D, braucht es Fluktuation... :)

Ich habe gehört, dass die Altersstruktur der Architekten recht hoch ist. D.h. in den nächsten Jahren wird die Mortalität extrem zu nehmen. Aber das ist auch die Chance für Nachfolger ein Büro zu übernehmen.

Archimedes 15.01.2016 23:02

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von numerobinchen (Beitrag 55136)
D.h. in den nächsten Jahren wird die Mortalität extrem zu nehmen. Aber das ist auch die Chance für Nachfolger ein Büro zu übernehmen.

Also in meiner Stadt sind schon einige Kollegen weg vom Fenster. Wo es zu meiner Lehrzeit Anfang der 90er Jahre noch ca. 10 Büros gab, sind es jetzt noch 4 Büros. Wir sind mittlerweile "Marktführer", aber dazu gehört auch die entsprechende Leidensfähigkeit und hohe Flexibilität.

Tom 16.01.2016 18:51

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Also hier werden die Architekten nicht unter den 50 Berufen mit der geringsten Lebenserwartung aufgelistet, sondern unter jenen mit der höchsten Lebenserwartung auf Platz 13:

Lebenserwartung: Die Rangliste der 50 gefährlichsten Berufe - DIE WELT

Subjektiv kann ich die Frage aber verstehen, da mir auch einige Fälle von früher Arbeitsunfähigkeit und von sehr frühem plötzlichem Ableben bekannt sind, die mir zu denken gegeben haben.

T.

Archimedes 17.01.2016 19:30

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Danke für die Statistik.

*(Die Rangliste basiert auf dem Prozentsatz der Menschen einer Berufsgruppe, die vor dem Rentenalter arbeitsunfähig werden)

Bleibt bei dieser Rangliste die Frage, ob auch die mit in die Statistik aufgenommen wurden, die früher gestorben sind.
Außerdem ist es in unserem Beruf gar nicht so einfach in den Augen der Versicherung arbeitsunfähig zu werden. Bei Leuten, die körperlich arbeiten, ist es häufig deutlicher.
So führt zum Beispiel die niederschlagende Diagnose Krebs nicht unbedingt dazu, dass ein Architekt für arbeitsunfähig erklärt wird, während ein Dachdecker mit einem amputierten Unterschenkel, zwar nicht lebensgefährlich erkrankt ist, aber dennoch als arbeitsunfähig gilt. Ein Architekt kann durchaus ohne Beine noch am Schreibtisch sitzen.

bezett 20.02.2016 08:37

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Neben einem Zirkel mit Winkelmaß und einem umgestürzten Becher war auf einem Grabstein die Inschrift zu lesen:

"Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein"

-Offenbar war es ein Kollege, dem die neue kompakte Behausung auch recht ist.

Auffällig viele Architekten sind heute gestandene Zecher, wie sie bei Feiern und Ausflügen beweisen...

Das Ethanol schwemmt die Kollegen davon, nicht der Dienst am Schreibtisch oder in der Baugrube.

Archimedes 21.02.2016 18:52

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von bezett (Beitrag 55281)
Auffällig viele Architekten sind heute gestandene Zecher, wie sie bei Feiern und Ausflügen beweisen...
Das Ethanol schwemmt die Kollegen davon, nicht der Dienst am Schreibtisch oder in der Baugrube.

Jetzt erklären sich mir gerade meine schlechten Leberwerte. :D

Für die Kreativiät ne Flasche Rotwein war schon während des Studiums stets eine Empfehlung der Profs. ;)

Ob im Bereich Architektur mehr gesoffen wird, als in anderen Bereichen glaube ich nicht. Banker sind da sicherlich nicht schlechter aufgestellt in Sachen Ethanolkonsum.
Viele Architekten trinken sehr regelmäßig Alkohol, aber im Genussbereich und nicht um permanent den Vollrausch zu erreichen.
1-2 Gläser Rotwein am Tag sollen ja angeblich sogar lebensverlängernd wirken.

Ich glaube daher nicht, dass Alkohol bei Architekten für eine signifikante Sterberate verantwortlich.
Ich denke tatsächlich eher an Streß bzw. einen gewissen Leistungsdruck gepaart mit wenig Freizeit zum Erholen, gerade bei selbständigen Exemplaren unserer Gattung.

Florian 22.02.2016 13:36

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55289)
Ich denke tatsächlich eher an Streß bzw. einen gewissen Leistungsdruck gepaart mit wenig Freizeit zum Erholen, gerade bei selbständigen Exemplaren unserer Gattung.

Kann das so generalisiert werden? Ich glaube, dass diese Faktoren bei anderen akademischen Berufen nicht anders aussehen.
Und ich vermute, das Akademiker im Schnitt nicht früher sterben als Nicht-Akademiker, vielleicht sogar später.

Archimedes 22.02.2016 14:14

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Florian (Beitrag 55292)
Ich glaube, dass diese Faktoren bei anderen akademischen Berufen nicht anders aussehen.

Grundsätzlich könnte es sein, dass Akademiker aufgrund Ihres Bildungsniveaus mehr auf Ihre Gesundheit achten, als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Akademiker ist aber nicht gleich Akademiker. Viele studierte Menschen sind in großen Unternehmen (Pharma-, Lebensmittel-, Maschinenbau-, Automobilindustrie etc.) oder bei großen Dienstleistern (Banken, Versicherungen, Telekomunikation) aktiv. Sie tragen zwar für bestimmte Bereiche und für einen Teil des Personals Verantwortung, doch sie sind nicht selbständig und nur in geringem Maße persönlich haftbar oder zu wirtschaftlichem Erfolg bzw. der Erfüllung eines Werkvertrages verdammt.

Außer bei Ärzten, Rechtsanwälten und Steuerberatern ist die Quote von selbständigen Akademikern wohl nirgends so groß wie bei den Architekten.
Die anderen freien Berufe sind aber nicht so extremen Haftungsfallen ausgesetzt bzw. können sie mit weniger Arbeitseinsatz in kürzerer Zeit mehr Gewinn generieren, als der selbständige Architekt, der nur auskömmlich ist, wenn er mind. 60 Stunden/Woche arbeitet und bewusst manche existenzbedrohenden Risiken eingeht.

Das belastet, das kann krank machen, das kann zum früheren Ableben führen.

Ich denke, dass wir vor diesem Hintergrund schon davon sprechen dürfen, dass unser Beruf von einer höheren Sterblichkeitsrate betroffen sein könnte.
Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich schwer nachweisen, da die statistischen Erhebungen fehlen.

Tom 28.02.2016 15:52

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55295)
..., als der selbständige Architekt, der nur auskömmlich ist, wenn er mind. 60 Stunden/Woche arbeitet und bewusst manche existenzbedrohenden Risiken eingeht. Das belastet, das kann krank machen, das kann zum früheren Ableben führen.

Ich denke, dass wir vor diesem Hintergrund schon davon sprechen dürfen, dass unser Beruf von einer höheren Sterblichkeitsrate betroffen sein könnte.
Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich schwer nachweisen, da die statistischen Erhebungen fehlen.

Na, die Krankenkassen und Versorgungskammern haben natürlich die Zahlen, wann Architekten an was sterben. Mich überzeugen aber Deine Argumente, mit denen Du Architekten unter anderen Akademikern eine Sonderbelastungs zuschreibst, nicht wirklich. Ich bin jetzt kein Stress-Experte, aber ich glaube, dass unter selbständigen Architekten der "positive Stress" überwiegt. Das sind doch alles Überzeugungstäter, die sich ihre eigenen Ziele und Standards setzen und aus der zugegeben oftmals aufreibenden Tätigkeit einen gehörigen persönlichen und emotionalen Gewinn ziehen.

Letztlich türmst Du unbewiesene Annahmen aufeinander. Die erste These über die frühe Sterblichkeit wird mit 5 weiteren Thesen "gestützt", die aber allesamt wackelig sind.

T.

Archimedes 28.02.2016 21:48

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55317)
Ich bin jetzt kein Stress-Experte, aber ich glaube, dass unter selbständigen Architekten der "positive Stress" überwiegt. Das sind doch alles Überzeugungstäter, die sich ihre eigenen Ziele und Standards setzen und aus der zugegeben oftmals aufreibenden Tätigkeit einen gehörigen persönlichen und emotionalen Gewinn ziehen.

Ich weiß nicht, ob es wirklich irgendwo belastbares Zahlenmaterial dazu gibt. Selbst wenn es aufgrund von üblichen Erhebungen und Daten möglich wäre, ist die Frage ob irgendjemand dieses Query bereits gezogen hat.

Ich stelle hier natürlich Vermutungen in den Raum, aber vielleicht bin ich da nicht alleine.

Auch positiver Streß kann u.U. krank machen.

Hat sich mal Jemand überlegt, wie man überhaupt als selbständiger Architekt aussteigen könnte, wenn man keine Lust mehr auf täglichen positiven Streß hat?

Archiologe 29.02.2016 16:57

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Ich denke, besonders die Selbstausbeuter in Kleinstbüros beißen schnell ins Gras. Wenn du es erst mal geschafft hast und Cheffe deines eigenen bekannten Büros bist, du nur noch schöne Bildchen zeichnest und deine Angestellten dir die Probleme möglichst vom Hals halten, kannst du richtig alt werden. Siehe Oskar Niemeyer. Ich kenne keinen bekannten Architekten, der in letzter Zeit weniger als 80zig Jahre alt geworden ist.

Archimedes 29.02.2016 18:49

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archiologe (Beitrag 55325)
Ich kenne keinen bekannten Architekten, der in letzter Zeit weniger als 80zig Jahre alt geworden ist.

1% bekannte und 99% unbekannte Architekten gibt es, von den wiederum 90% überhaupt keine Lust und Ambitionen haben um Bekanntwerden zu wollen.
Die Meisten von uns wollen lokal gute Arbeit abliefern, wenig Ärger haben und die Familie ernähren können.

Wen man nur noch Visionär, Manager oder Redner ist, dann hat man sich doch schon etwas weit von den Wurzeln des Architektenberufs entfernt.
Vielleicht durchaus angenehm für die Person, aber von der Basis ist man durchaus genausoweit weg, wie ein Martin Winterkorn von einem Fließbandmitarbeiter bei VW.

Tom 06.03.2016 14:36

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55327)
Wen man nur noch Visionär, Manager oder Redner ist, dann hat man sich doch schon etwas weit von den Wurzeln des Architektenberufs entfernt. Vielleicht durchaus angenehm für die Person, aber von der Basis ist man durchaus genausoweit weg, wie ein Martin Winterkorn von einem Fließbandmitarbeiter bei VW.

Nein, man ist wahrscheinlich nur einer von 2-3 Geschäftsführern eines 35-50-Mitarbeiter-Büros, der sich wie ein Unternehmer verhält. Ein aus meiner Sicht guter und erstrebenswerter Zustand, der in keinster Weise schon "zu weit weg" von der Architektur ist. Denn Du führst in dieser Stellung Projektleiter, die verantwortungsvoll das tägliche Business besorgen und für ihre Freiräume dankbar sind.

Man kann nicht einerseits über die Last des Einzelunternehmertums klagen und es gleichzeitig als einzig richtige Daseinsform verherrlichen. Ich empfinde die Unternehmensstruktur deutscher Architekturbüros schon immer als zu kleinkrämerisch. Viele sind schlechter geführt als familiäre Handwerksbetriebe.

Wenn Du 1-2 Mit-Gesellschafter hättest und ein paar mehr Mitarbeiter, würdest Du eine Unternehmensgröße erreichen, bei der nicht mehr alles an Dir allein hängt - von der Akquise bis zur Bestellung der Büromaterialien. In größeren Teams erreicht man mit weniger individuellem Stress mehr - in besserer Qualität und bei besserer Laune.

T.

Archimedes 06.03.2016 15:45

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zunächst ging es um die Sterblichkeit und das scheinbar lange Leben mancher "Stararchitekten".

Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55336)
Nein, man ist wahrscheinlich nur einer von 2-3 Geschäftsführern eines 35-50-Mitarbeiter-Büros, der sich wie ein Unternehmer verhält. Ein aus meiner Sicht guter und erstrebenswerter Zustand, ...

Das sehe ich anders, denn schon bei deutlich kleineren Bürostrukturen als 35-50 Mitarbeiter spielt man entweder Architekturgott, der hauptsächlich noch Entwurfskorrekturen macht, oder Manager a la Winterkorn. Vielleicht auch was von Beidem.
Architektur hat mit Bauen, dem Bauprozess erleben, regelmäßiger Vorortpräsenz und direktem Kunden und Handwerkerkontakt zu tun. Zusätzlich zu den Projektleitern, die natürlich die Hauptlast beim Projekt tragen.
Das geht irgendwann nicht mehr und dann ist man etwa so weit wie die Bundesregierung von den Problemen der kleinen Leute weg.
Für Manchen kein Problem....für mich Verlust der Bodenhaftung, wenn man nur noch irgendwann aus der "Zeitung" erfährt, dass das eigene Büro gerade wieder etwas fertiggestellt hat.

Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55336)
Man kann nicht einerseits über die Last des Einzelunternehmertums klagen und es gleichzeitig als einzig richtige Daseinsform verherrlichen. Ich empfinde die Unternehmensstruktur deutscher Architekturbüros schon immer als zu kleinkrämerisch. Viele sind schlechter geführt als familiäre Handwerksbetriebe.

Manche sind schlechter geführt, nicht alle. Das Verallgemeinern und das Verherrlichen des Gegenteils passt sicher auch nicht. Gnadenloses Zentralisieren und Konzentration auf große Strukturen hat in den vergangenen Jahrzehnten in ganz anderen Bereichen schon zu Problemen geführt und wird dort mittlerweile wieder rückgängig gemacht. Ein großes gut geführtes Büro im nächsten Ballungszentrum hilft Lieschen Müller nicht beim Umbau des Eigenheims auf dem Land.

Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55336)
Wenn Du 1-2 Mit-Gesellschafter hättest und ein paar mehr Mitarbeiter, würdest Du eine Unternehmensgröße erreichen, bei der nicht mehr alles an Dir allein hängt ...

Ist ja nicht so, als hätte ich mich damit nicht schonmal intensiv auseinander gesetzt.
Mehr Führungskräfte verursachen zunächst mal mehr Reibungsverluste und häufige Diskussionen. Hinzu kommt die Gefahr von Neid und Missgunst, weil einer mehr als der andere leistet, aber alle das gleiche verdienen möchte. Ich kenne Beispiele die mit mehreren Gesellschaftern über Jahre hinweg funktionieren, aber ebensoviele die sich überworfen haben und einen Scherbenhaufen hinterlassen haben.

Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55336)
In größeren Teams erreicht man mit weniger individuellem Stress mehr - in besserer Qualität und bei besserer Laune.

Ich glaube nicht, dass darüber die schiere Teamgröße entscheidet, denn selten arbeiten tatsächlich mehr als eine handvoll Leute intensiv an einem Projekt. Es kommt mehr auf die Zusammensetzung des Teams an.

Reine Größe eine Unternehmens, die ich noch aus meinen Arbeitszeiten bei Großbanken/Fondsgesellschaften kenne, schafft keine Identifikation mit der Arbeit und macht Leute zu austauschbaren Nummern. Für Leute ohne großen Langzeithorizont als Momentaufnahme durchaus akzeptabel, denn man lässt abends häufig alles hinter sich und denkt noch nicht an den nächsten Tag. Für Leute mit Ambitionen und langfristigen Perspektiven eher eine unangenehme Situation.

Das man mit größeren Teams bei größeren Projekten etwas stressfreier arbeiten kann, liegt vielleicht auch daran, dass der Honorarrahmen zunächst mal unerschöpflich groß erscheint und es sich im Büro davon eine Weile abfeiern lässt, bevor die armen Bauleiter vor Ort den Zahlendruck zu spüren bekommen. Bei kleinen Teams und kleinen Projekten mit Kundennähe spürt man früher um was es geht.

raykip 07.03.2016 17:06

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Ich denke auch, dass die reine Teamgröße an sich nicht direkt etwas zu sagen hat. Die Zusammenarbeit untereinander muss stimmen und gut koordiniert sein. Aber bei weniger Mitarbeitern ist diese Koordination sicherlich auch einfacher, wobei auch das natürlich von verschiedenen Faktoren abhängt

Tom 13.03.2016 12:36

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55337)
Gnadenloses Zentralisieren und Konzentration auf große Strukturen hat in den vergangenen Jahrzehnten in ganz anderen Bereichen schon zu Problemen geführt und wird dort mittlerweile wieder rückgängig gemacht. Ein großes gut geführtes Büro im nächsten Ballungszentrum hilft Lieschen Müller nicht beim Umbau des Eigenheims auf dem Land.

Dahinter steckt ein Denkfehler, nämlich der, dass die Projektgröße des Bauherrn und die Betriebsgröße des Architekten notwendigerweise übereinstimmen müssen. Lieschen Müller wäre glücklich, wenn ihr Umbau von einem Büro gemacht würde, das schon 100 Umbauten termintreu innerhalb des Budgets abgewickelt hat.

Gegen "große" Büros mit 50 Mitarbeitern Vorbehalte anzuführen wie gegen Großkonzerne hat doch mit der Realität nichts zu tun. Selbst die wenigen Büros weltweit mit 200 oder 500 Mitarbeitern sind mit einem allgemeinen Maßstab gemessen noch sehr kleine mittelständische Betriebe, in denen jeder jeden persönlich kennt.

T.

Archimedes 13.03.2016 17:50

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Gewagte These, dass "große" Büros auch für weitentfernte "kleine" Leute mit "sehr begrenztem" Budget eine "qualitativ hochwertige" Gesamtleistung und mehr als "interessante" Entwurfsarbeit abliefern.

Glaube ich nicht. Das Interesse besteht nicht.

Dazu noch das vermeintlich "familäre" Verhältnis in Büros mit 200 Mitarbeitern? Naja.

Das mit den eingebildeten "Architekturgöttern" und das man mehr oder weniger davon ausgeht, dass Termin- und Budgettreue nur in großen Büros, klingt eher nach einem gestörten Verhältnis zu kleinen Bürostrukturen.
Vielleicht auch einfach nach den falschen Erfahrungen.


Es gibt sicherlich mehr kleine "schlechtgeführte" Büros als große "schlechtgeführte" Büros im Hinblick auf die Gesamtleistung, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit.
Zumindest nach Gesamtzahlen betrachtet, denn da gibt es tatsächlich um ein Vielfaches mehr kleinere Strukturen.
Ob das relativ gesehen noch stimmt, weiß ich hingegen nicht.
Da gibt es viele bekannte größere Projekte und Aussagen von Kollegen, die mich daran zweifeln lassen.

Tom 13.03.2016 18:25

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55387)
Gewagte These, dass "große" Büros auch für weitentfernte "kleine" Leute mit "sehr begrenztem" Budget eine "qualitativ hochwertige" Gesamtleistung und mehr als "interessante" Entwurfsarbeit abliefern.

Wen zitierst Du da? Mich jedenfalls nicht. Der Grad Deiner Polemik signalisiert mir, dass Du an einer inhaltlichen Diskussion nicht interessiert bist.

Es gibt tatsächlich nennenswerte Überschneidungen von den Zielgruppen kleiner und "großer" Büros. Das dürftest Du selbst sicher auch schon erfahren haben. Grundschulen, Kitas, 3-fach-Sporthallen, Gemeinde- u. Stadtteilzentren, mittelgroße Wohnanlagen, etc. werden von 50-Mitarbeiter-Büros deutschlandweit bis in die Provinz genauso akquiriert wie von den 6-Mitarbeiter-Läden vor Ort.

T.

Archimedes 13.03.2016 18:47

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Hallo Tom,

es war tatsächlich eine Reaktion auf Deinen vorletzten Beitrag.
Polemisch nur in soweit, dass ich die von Dir verwendeten Begriffe und Darstellungen nochmals aufgeriffen habe.

Lieschen Müller aus der Provinz baut keine Kitas oder 3-Feld-Sporthallen, sondern sie möchte ihr Einfamilienhaus aus den 60er Jahren um eine Wohneinheit erweitern und energetisch sanieren. Dafür kann sie sich die Finger wund telefonieren und alle "namhaften größeren" Büros im Einzugsgebiet von 200 km Radius abtelefonieren. Das nächste davon ist immernoch mind. 70 km weit entfernt und hat einfach keine Lust auf Lieschen Müller und ihre Bagatellen.

Tut mir leid, wenn Du Dich unsachlich berührt fühlst, aber vielleicht einfach mal die Nase aus dem Großraumbüro im "Speckgürtel" raushalten und Deutschland neu kennenlernen.

Archimedes 13.03.2016 18:59

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Sind wir eigentlich noch beim Thema Sterblichkeit unter Architekten oder sind wir beim Bashing von kleinen und mittleren Bürostrukturen?


Es würde mich weiterhin interessieren, ob es konkrete Anzeichen, Statistiken, Erfahrungen zum Eingangsthema gibt.
Also wie gesund oder ungesund der Architektenberuf (in kleinen und großen Büros oder als Einzelkämpfer) ist und ob man davon sprechen kann, dass es einen Zusammenhang zwischen Mortalität und Beruf gibt.

Tom 13.03.2016 19:11

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55390)
Lieschen Müller aus der Provinz baut keine Kitas oder 3-Feld-Sporthallen, sondern sie möchte ihr Einfamilienhaus aus den 60er Jahren um eine Wohneinheit erweitern und energetisch sanieren. Dafür kann sie sich die Finger wund telefonieren und alle "namhaften größeren" Büros im Einzugsgebiet von 200 km Radius abtelefonieren.

Ich gebe Dir recht, bei diesen Aufträgen konkurrierst Du nicht mit großen Architekturbüros, sondern mit dem Maurermeister an der Ecke.

T.

Archimedes 13.03.2016 19:33

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55392)
Ich gebe Dir recht, bei diesen Aufträgen konkurrierst Du nicht mit großen Architekturbüros, sondern mit dem Maurermeister an der Ecke.

Damit habe ich kein Problem, denn der schätzt mich und ich schätze ihn. Konkurrenz gibt es daher keine.
Es gilt nämlich auch hier an der Basis: Miteinander, statt gegeneinander.

Falsche Arroganz auf Architektenseite gegenüber vermeintlich dümmeren Handwerkern gehört hoffentlich der Vergangenheit an.

Tom 19.03.2016 14:04

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55393)
Damit habe ich kein Problem, denn der schätzt mich und ich schätze ihn. Konkurrenz gibt es daher keine.

Doch, er nimmt Dir Planungsaufträge weg.

Zitat:

Falsche Arroganz auf Architektenseite gegenüber vermeintlich dümmeren Handwerkern gehört hoffentlich der Vergangenheit an.
Von Architekten- oder Akademikerdünkel bin ich frei. Das ist eine rein sachliche Festellung. Jetzt aber zurück zur Sterblichkeit, dazu wurde hier noch nichts Abschließendes gesagt. Wohin kommen eigentlich die Architekturgötter nach ihrem Ableben :)?

T.

Mr.Jenberg 20.03.2016 16:55

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Ich glaube die These stimmt nicht!
Es ist ein klassischer Fall von der "Verfügbarkeits-Täuschung":
Da du selber Architekt bist, kennst du natürlich viel mehr Architekten und achtest genau dann auf diese Phänome. Oder kennst du genausoviele Banker oder Ärzte?

Archimedes 20.03.2016 17:35

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55430)
Doch, er nimmt Dir Planungsaufträge weg.

Also, mir hat noch kein "Maurermeister" einen Auftrag weggenommen. Zumindest nicht, dass ich davon wüßte. Das Gegenteil ist eigentlich der Fall, denn wir sind schon häufiger von guten hiesigen Bauunternehmen an Kunden empfohlen worden. Das, gebe ich zu, ehrt mich ein wenig, da ich weiß, da die nicht jedes Büro empfehlen würden und uns wohl auch als praxisnah einschätzen.

Zitat:

Zitat von Mr.Jenberg (Beitrag 55442)
Ich glaube die These stimmt nicht!
Es ist ein klassischer Fall von der "Verfügbarkeits-Täuschung":
Da du selber Architekt bist, kennst du natürlich viel mehr Architekten und achtest genau dann auf diese Phänome. Oder kennst du genausoviele Banker oder Ärzte?

Banker kenne ich in der Tat eine ganze Reihe. Auch da gibt es welche die früh ausfallen oder das Zeitliche segnen. Es kann ja sein, dass ich das in unserer Branche etwas schwarz sehe, aber natürlich habe ich mich auch selbst hinterfragt, ob ich nicht übertreibe, bevor ich hier das Thema aufgeworfen habe.
Ich finde es gibt schon eine Häufung von Todes- oder schweren Krankheitsfällen, die zumindest in meinem Umfeld bei Architekten auffällig ist.
Wieviele Studien kommen nach aufwendigsten Recherchen und Verfahren zu Ergebnissen die noch in der Schwankungsbreite des Zufalls liegen? Sehr viele finde ich.
Natürlich ist das alles subjektiv hier.

Ausgangspunkt war im Prinzip die Frage, ob es nur mir auffällt, dass Architekten vielleicht etwas überdurchschnittlich früh sterben oder ob es auch andere in ihrem Umfeld feststellen konnten.

Wir können den Thread ja erstmal "beerdigen" bis Jemand entweder auch diese subjektiven Eindrücke bewerten kann oder mit belastbaren Zahlen um die Ecke kommt.

Archimedes 01.04.2016 09:35

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Da haben wir es mal wieder:

Zaha Hadid: Nachruf auf die Stararchtitektin - SPIEGEL ONLINE

Auch die "Großen" unserer Zunft bleiben nicht verschont.

Tom 01.04.2016 21:17

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55489)
Da haben wir es mal wieder:

Ich muss jetzt nicht darauf hinweisen, dass dieser Einzelfall kein ausreichender Beleg für Deine General-These ist, oder? Sonst liste mal die 100 bedeutendsten Architekten u. -innen der letzten 100 Jahre auf und schaue, ob sie mit ihrem Lebensalter unter oder über dem für sie geltenden Durchschnitt liegen.

Ich finde Deine Eingangsfrage interessant, aber die Art wie Du Deine These unbedingt wie eine Tatsache verfichtst, fragwürdig.

T.

Tom 01.04.2016 21:23

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 55443)
Also, mir hat noch kein "Maurermeister" einen Auftrag weggenommen.

Ich führte den Maurermeister an als jemanden, der wie Du einfache Bauvorhaben wie Umbauten, Sanierungen etc. planen und ausführen darf und dem Bauherrn die Beauftragung eines Architekten somit erspart. Um den Planungsanteil dieser Aufträge stehst Du mit ihm in Konkurrenz. Oder nicht?

T.

Archimedes 02.04.2016 13:55

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55493)
Ich führte den Maurermeister an als jemanden, der wie Du einfache Bauvorhaben wie Umbauten, Sanierungen etc. planen und ausführen darf und dem Bauherrn die Beauftragung eines Architekten somit erspart. Um den Planungsanteil diese Aufträge stehst Du mit ihm in Konkurrenz. Oder nicht?
T.

So etwas ist mir nicht bekannt. Wenn bei Euch Maurermeister solche Dinge planen, dann läuft das jedenfalls anders als bei uns. Und "einfach" ist relativ. Kleine oder mittelgroße Projekte sind nicht gleichzusetzen mit anspruchslos und einfach.

Archimedes 02.04.2016 13:56

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
Zitat:

Zitat von Tom (Beitrag 55492)
Ich muss jetzt nicht darauf hinweisen, dass dieser Einzelfall kein ausreichender Beleg für Deine General-These ist, oder?

Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, dass in den vergangenen Wochen nicht mehr StararchitektenInnen verfrüht gestorben sind, die meine These untermauern könnten. ;)

simiantschick 08.04.2016 17:24

AW: Sterblichkeit unter Architekten
 
und peter conradi hat sich einfach erst im hohen alter gedacht, ne, jetzt reichts ; )


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