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Sputnik 27.09.2004 03:54

Ausland?
 
Wollte hier gern ein Thema anstossen. Auch wenn ich selbst jetzt knappe 3 Jahre mit dem Studium fertig bin, ist das Thema, glaube ich, für Studenten, Absolventen und Berufsanfänger (zähle mich noch dazu) gleich interessant, vor allem im Hinblick auf die seit Jahren andauernde Konjunkturkrise der Baubranche hier und die momentan wirklich nicht rosigen Aussichten sowohl als Angestellter (neuen Job finden, Büro wechseln) oder als freier Architekt (woher die Aufträge, wenn niemand baut) oder Absolvent mit den ersten Bewerbungen. Hinzu kommt die Quote der Architekten in D, die wohl alle Rekorde bricht und die übertriebenen Normen, die so einigen Spaß an Architektur nehmen können.
Es würde mich interessieren, ob Ihr Bekannte, Freunde habt, die den Schritt unternommen haben und was sie berichten über die Situation, Berufsbild, Tätigkeitsfelder aber auch Arbeitszeiten, Bezahlung und Lebenskosten als Architekt im Ausland.

Ich unternehme dann gleich mal den ersten Schritt: Die Zahl der Leute, die ich aus dem Studium oder Job kenne, die inzwischen im Ausland "gelandet" sind, ist inzwischen ganz schön groß. Dabei waren Leute, die hier trotz Abschluß irgendwelche Praktikumsstellen angenommen haben oder sich neu immatrikulierten, da man als Student noch eher etwas findet.
Die Gründe, die ich so gehört habe, waren: aussichtslose Lage auf dem Arbeitsmarkt in D, spannendere Architektur und Büros, eine neue Herausforderung oder einfach Neugier und Lust, mal im Ausland zu leben.Eine der Aussagen, die mir richtig zu denken gegeben hat: "Auch wenn ich hier einen Job finden würde, hätte ich keine Lust in so´ner Stimmung zu arbeiten -in Panik , bei geringsten Differenzen, auf der Straße zu landen, alles hinnehmen, unterbezahlt und mit´nem Berg an Überstunden -da vor der Tür ja schon 100 andere auf meinen Job warten" -Es ist schon verdammt viel dran.
Die meisten aus meinem Bekanntenkreis gingen nach England. Sie hatten eigentlich sofort einen Job. Angeblich gibt es viele spannende Büros, es wird mehr experimentiert und gewagt. An CAD ist AutoCad, Microstation und VectorWorks am meisten verbreitet. Die Bezahlung ist ähnlich wie bei uns, der eindeutige Nachteil:die Kosten.
Andere gingen nach Holland: spannende Architektur, Internationalität in den Büros (Englisch reicht für den Anfang oft aus), humane Arbeitszeiten und...man arbeitet eher als Architekt und nicht als Bauzeichner mit Architekturdiplom, wie in vielen deutschen Büros: ein Luxus, den man sich bei der Zahl an Architekten hier leisten kann. In der letzten Zeit hat aber wohl auch die Konjunktur in Holland nachgelassen -es ist nicht einfach, einen Job zu finden.
Dann gibt es noch die Australien-Fraktion: relativ schlechte Bezahlung, hohe Lebenshaltungskosten, zumindest in den letzten Jahren aber viele Jobs.
So, das waren meine Infos, die natürlich nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, sondern auf Berichten der "Auswanderer".
Ich hoffe, Ihr könnt weitere Infos (natürlich immer etwas subjektiv aber es geht nicht anders) beisteuern bezüglich Arbeit und Leben in diesen und anderen Ländern. Ich bin sicher, daß auch viele andere außer mir daran interessiert sind.
Hat jemand von Euch Ahnung, wie es in Frankreich und Spanien aussieht? Würde mich sehr interessieren (auch wenn beides wohl AutoCad-Länder, oder? ). Und die "neuen EU-Länder"?
Hoffe auf einige interessante Infos, Grüße!

chrisly 27.09.2004 09:43

Ausland
 
Hallo Sputnik,

den Drang ins Ausland kann ich schon nachvollziehen, bei den hiesigen Arbeitsverhältnissen. Ich (Beruf: Landschaftsarchitekt) selbst war zwar noch nicht im Ausland, spiele aber mit dem Gedanken, langfristig nach China zu wechseln. Ich würde dir empfehlen, einen Blick in das Deutsche Architektenblatt zu werfen. Dort wird jeden Monat ein Land vorgestellt und die dortigen Arbeits- und Lebensverhältnisse beschrieben. Wie gesagt, ich bin selbst nur interessierter Laie, meine allerdings folgendes herausgehört zu haben.
- Chancen im Ausland generell besser, obwohl es auch dort Länder gibt, die eine ähnlich hohe Architektendichte haben, wie Deutschland, z. B. Italien.
- Aber: Auch im Ausland warten die Arbeitgeber nicht händeringend auf deutsche Absolventen.
- Trotz der schlechten Bezahlung hier ist die Lebensqualität in Deutschland immer noch relativ hoch, hier müssen wohl im Ausland öfters Abstriche gemacht werden (müssen).
- Im Ausland nicht nur die Arbeitsverhältnisse betrachten, sondern beachten, daß man sich dort in einer komplett neuen, fremdartigen Kultur bewegt (z. B. China).

Das Institut Fortbildung Bau (www.ifbau.de) der Architektenkammer Baden-Württemberg bietet eine Zusatzqualifikation zum Europa-Architekten an. Hier eine Kurzbeschreibung:
Der EUROPA-Architekt

Das Thema Zusatzqualifizierung im europäischen Kontext hat inzwischen Einzug in die Köpfe vieler deutscher Architekturschaffender gehalten. Auch, dass das Institut Fortbildung Bau e.V. (IFBau) in Stuttgart mit der Zusatzqualifizierung „Der EUROPA-Architekt“ eine bundesweit bisher einmalige Weiterbildung ins Leben gerufen hat, ist bekannt. Sicher haben die Architekten den Stellenwert einer an internationale Anforderungen orientierten Qualifizierung erkannt. Viele Kolleginnen und Kollegen stellen sich jedoch die Frage nach der „Verwertbarkeit“ dieses Bildungsangebots

Viele Grüße
Chrisly

Sputnik 27.09.2004 11:03

Ja, Chrisly, ich weiß natürlich auch, daß man niergendwo auf deutsche Architekten wartet -da bin ich ganz Realist. Es ist jedoch eine Alternative. Im Bauwelt-Stellenmarkt gab es im gesamten September, an sich dem Aufbruchsmonat nach der Urlaubszeit, ganze 8(!) Stellenanzeigen bei Architekten in Deutschland (in der Relation zu der Zahl der Arbeitssuchenden...hmm). Klar, die meisten haben ganze Stapel von Bewerbungen und inserieren gar nicht. Trotzdem ist es jedes mal ernüchternd, wenn man ab und zu auf der Seite vorbeischaut, in der Hoffnung, es würde sich etwas bewegen. Von den Konditionen, die sich oft hinter den Angeboten verbergen, ganz zu schweigen...
Grüße

chrisly 30.09.2004 16:40

Ausland
 
... tja, so ist das zur Zeit leider.
Ich denke, wenn man als Architekt wirklich noch mehr oder weniger unbeschwert planen will, ist man im Ausland mittlerweile besser aufgehoben. Obwohl es dort sicher auch nervige Chefs und Bürokratie gibt. Wenn man oder frau dagegen in Deutschland bleiben möchte, ist oft die einzige Chance, den Lebensunterhalt zu verdienen, ein Berufswechsel oder zumindest der Wechsel in eine Architekturnische.
Viele Grüße und viel Glück
Chrisly

holger 04.10.2004 21:09

hi zusammen,

ich bin eigentlich ziemlich unbeleckt, was das arbeiten im ausland angeht...
finde dieses thema hier aber super interesant !

mal ne frage:

wie ist das denn genau mit holland z.b. ?
nach dem motto: warum in die ferne schweifen...

wo gibts dort infos ?

Sputnik 06.10.2004 16:39

schade, habe gehofft, daß ein wenig mehr an infos zusammenkommt...

@holger:
http://www.nai.nl/
http://www.archined.nl/
(beide niederl/englisch)
http://www.dutcharchitects.com/

Samsarah 06.10.2004 17:56

Hi,

ich mache ja zur Zeit ein einjähriges Studienpraktikum und bin in diesem Zusammenhang in einem deutschen Büro, dass auch eine Abteilung in den Niederlanden hat. Und ich arbeite auch seit einigen Monaten an einem Projekt dieser Abteilung.
Ich kann bestätigen, dass fast alle Projekte über einen Generalunternehmer laufen, was zwar heißt, dass wir keine Werkplanung machen müssen, aber natürlich dennoch Leitdetails entwickeln, damit das hinterher auch unseren Vorstellungen entspricht. Also in 1:20 wird alles gedacht und in einigen Bereichen eben auch bis 1:1 detailliert. Der sehr, sehr große Nachteil ist, dass man keine direkten Verhandlungen mit den ausführenden Firmen führen darf. Das muß alles über den Controller laufen und der Erfolg ist maßgeblich von der Kommunikationsfähigkeit dieser Instanz abhängig. Stellt sich diese als Flaschenhals heraus, läuft alles extrem zäh und manchmal auch langfristig falsch. Zwar sind wir als Architekten dann aus der Verantwortung, aber ausbaden müssen wir es letztlich ja trotzdem.
Man hat im Ganzen weniger Kontrolle über das Ergebnis als in hiesigen Verfahren. Die Qualität der Ausführungen läßt auch zu wünschen übrig und ist kaum vergleichbar mit hiesigen Standards. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass man dort ein paar Normen mehr bräuchte... die haben ja auch manchmal einen Sinn.

Das man ohne die holländische Sprache auskommt, kann ich auch nicht wirklich bestätigen. Die Pläne müssen alle in Holländisch sein und man verbringt viel Zeit mit dem Wörterbuch. Auch die beratenden Firmen sprechen nur bedingt englisch - eher mal deutsch - problematisch vor allem, weil es hier um Fachbegriffe geht und nicht um Smalltalk. Man sollte also schnell die Sprache lernen können. Am hinderlichsten ist für mich aber, dass die holländischen Bauvorschriften nicht in englisch oder deutsch zu haben sind, ich bin also immer davon abhängig davon, dass mir jemand Entsprechendes übersetzt oder muß mich auf fremde Angaben verlassen. Leider gelten in vieler Hinsicht auch nicht die Euronormen, wie man vielleicht glauben würde.

Mein Projektleiter ist schon einige Jahre dort und fühlt sich sicher auch wohl. Die Niederländer sind sehr offen und tolerant. Ich würde aber fast behaupten, dass er eine ganze Weile bräuchte, um für den deutschen Markt wieder tauglich zu sein. Das ist zwar sicherlich nicht so schlimm wie bei zu langen Entwicklungshilfeeinsätzen, aber da die Ansprüche hierzulande mit zu den höchsten gehören, wird man mit der Zeit im Ausland auch nachlässiger.

Ich selbst war letztes Jahr für zwei Monate in Afghanistan, um dort eine Mädchenschule aufzubauen. Und schon in der kurzen Zeit hat man gemerkt, wie man anfängt die deutsche Genauigkeit nicht mehr so ernst zu nehmen. Die Planer der Hilfsorganisationen dort würden nach eigenen Angaben in Deutschland auf dem regulären Bausektor kaum eine Chance auf Anstellung haben, sind für den deutschen Markt sozusagen "verdorben" - eher im Entwicklungshilfebereich oder bei Projekten für's Ausland.
Auf der anderen Seite ist das auch eine Chance, denn viele deutsche Büros orientieren sich in Richtung Asien, Südamerika... Hat man hier schon Sprach- und Kulturkenntnisse und evtl. sogar Bauerfahrung, wird einem sicher der Vorzug gegeben.

Grundsätzlich wird man gerade, wenn man im eigenen Land noch gar keine Erfahrungen gemacht hat, in den ersten Arbeitsjahren sehr geprägt. Und manchmal ist diese Prägung dann nicht mehr kompatibel. Darüber sollte man nachdenken.

Ich fand Auslandserfahrungen immer eine bereichernde Erfahrung. Ich könnte mir gut vorstellen für einige Zeit wegzugehen oder gar ganz auszuwandern. Wenn ich aber doch zu dem Schluß komme, auf Dauer hier arbeiten zu wollen, würde ich mir gut überlegen, wann, wie lange und wohin ich gehen würde.

Liebe Grüße,
Samy

holger 07.10.2004 21:34

hallo samsarah,

ich finde deinen beitrag gut. gut zum nachdenken !

ich bereue mittlerweile (jetzt mit über 30 !) auch schon manches mal, dass
ich in den "20ern" nicht wirklich rumgereist bin und an fremdsprachen eigentlich nur englisch und ein paar brocken spanisch hängen geblieben sind...

deshalb finde ich auch, dass dieser "hurra ich geh ins ausland -enthusiasmus" eher was für weltenbummler oder leute mit konkreten
auslandskontakten ist.

ab und zu krieg ich natürlich wieder so ne ausbruch phase und will was riskieren...aber dein beispiel mit dem "holländisch" zeigt ja ganz schön wie
das laufen kann, wenn man sich denkt mal eben nur über die nächste grenze zu hüpfen und dann verständigt man sich irgendwie, oder ?

vor allem gehe ich ja dann nicht als physiotherapeut rüber...das könnte ich mir etwas einfacher vorstellen...das hat schon mehr was mit weltsprache zu tun...aber all diese ingenieurtechnischen fachbegiffe etc...ist ja ne doppelbelatung.

vielleicht bräuchte man einen persönlich bereitgstellten mentor !
das wärs.

an genauigkeit glaube ich auch, dass deutschland dabei durchaus spitzenreiter ist, was ?

Sputnik 08.10.2004 01:07

Zitat:

Originally posted by Samsarah
Hi,

Das man ohne die holländische Sprache auskommt, kann ich auch nicht wirklich bestätigen.

Liebe Grüße,
Samy

Wie gesagt (geschrieben), das von mir geschilderte, waren Erfahrungen, die ich von anderen gehört habe -keine eigenen:
Eine der Aussagen war eben, daß man anfangs(!) auch mit nur englischen Kenntnissen in vielen/meisten NL-Büros zurechtkommt, was z.B. in Spanien oder Frankreich nicht gehen würde. Dia Behauptung stammt von einer Freundin, die längere Zeit in Amsterdam als Architektin gearbeitet hat und seit Kurzem wieder hier ist. Hat mich mal in einer (meiner) Frustphase ermutigt, es in NL zu probieren und meinte, das fehlende Niederländisch am Anfang wäre kein Problem???
Das man auf längere Sicht ohne Holländisch nicht auskommt, kann ich mir aber auch-wie Du berichtest - sehr gut vorstellen.
Wäre es Dir möglich, kurz über die momentane Arbeitslmarkt-Lage zu berichten? Sie soll sich verschlechtert haben, aber immer noch um einiges besser als in D sein-Stimmt das?
Grüße!!!

holger 08.10.2004 20:11

wenn ich mir die links anschaue, die du mir gegeben hast...ligt es ganz klar auf der hand:

im baunetz pro monat ca 3 - 5 neue stellen...

im holländischen netz (habs mal kurz besucht) 112 oder 120
stellenangebote !!!

Samsarah 12.10.2004 11:12

Wie der Stellenmarkt dort aussieht, kann ich nicht beurteilen. Die Leute, die in unserem Rotterdamer Büro arbeiten, waren aller vorher in Deutschland eingestellt. Ich weiß auch nicht, wie das in niederländischen Büros aussieht. Dort gibt es sicher mehr Leute, die holländisch sprechen (und deutsch) und damit die eigenen Sprachlücken vorläufig überbrücken können.
Ich glaube nicht, dass der Markt dort so angespannt ist wie hier. Ich bin die Woche dort und kann ja mal fragen ;) .


Grüße,
Samy

cyan 14.10.2004 09:29

Rückkehr aus dem Ausland
 
Hallo Sputnik,

ich kehre gerade aus dem Ausland zurück. Meinen jetztigen job in Deutschland hätte ich ohne meine Auslandserfahrung sicher nicht
bekommen und auch ansonsten lohnt sich ein Auslandsaufenthalt
allemal. Ich habe in England und den USA gearbeitet und bin immer
noch von der professionellen Abwicklung von Projekten im
angelsächsischen Raum beeindruckt. Als Architekt ist man dort
nicht so sehr ein Allrounder wie in Deutschland - kann auf seinem
Gebiet aber richtig gut werden und wird auch dementsprechend
entlohnt.

Grüße
cyan


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