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Samsarah
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Samsarah is a jewel in the rough Samsarah is a jewel in the rough Samsarah is a jewel in the rough Samsarah is a jewel in the rough

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Datum: 02.05.2003
Uhrzeit: 17:50
ID: 1645



Die Fassade als Malfläche? #4 (Permalink)
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Na, ob Du einen Kubus mit Fenstern und Türen bauen könntest, der allein schon den Anforderungen an ein DIN-Norm-gerechtes Bauen entspricht, möchte ich mal dahingestellt lassen. Der Popkunst wird ja auch oft nachgesagt - "na das kann ich auch"... Architekt sein ist weit mehr als gestalterisch kreativ tätig zu werden!

Grundsätzlich spricht nichts gegen Stein- oder Mauerwerksfassaden. Ich habe aber den Eindruck, daß die massive Verwendung von Glasfassaden wohl auch etwas mit dem Wunsch nach Transparenz (auch im übertragenen Sinne) zu tun hat - zumindest im Industriellen und Öffentlichen Bereich. Bei reinen Glasfassaden ist eine Reliefausbildung der Oberflächen natürlich wirklich schwierig, aber heutzutage gibt es dafür schon unzählige Techniken, die Oberfläche von Glas so zu behandeln, daß sie unterschiedlichste Effekte ermöglichen. Auch kann man sie mitlerweile farbig bedrucken (Herzog & de Meuron sind ein interssantes Büro, das viel mit diesen Techniken arbeitet). Neben Glas werden verschiedene Kunststoffe zu einem interessanten Werkstoff, mit dem man z.B. Membranen entwickeln kann, die wiederum farbig hinterleuchtet werden können o.ä. . Es gibt eigentlich unzählige neue Technologien, die es erlauben über den historischen Fundus an üblichen Bauweisen hinauszublicken. Das soll aber nicht heißen, daß man diese erprobten Wege der Architektur vergessen oder vernachlässigen sollte. Was bis heute steht und Anklang findet, kann ja nicht gänzlich verkehrt sein :-) .

Der häufige Verzicht auf Ornamentik hat sicher auch etwas mit dem Erbe der "klassischen Moderne" zu tun. Dort wollte man ja allem Dekorationstum und Historismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Krieg erklären und wieder zu den geometrischen Grundelementen der Architektur zurückkehren. Viele erfolgreiche Architekten kommen aus einer Generation die dadurch enorm geprägt war. Im Gegensatz - oder in Weiterentwicklung - dazu erlebte man ja in der Phase der Postmoderne plötzlich eine Wiedergeburt der Symbolsprache, die dann aber wieder so ins bodenlos Oberflächliche abgedriftet ist, daß ich viele Bauten der späten 70er und 80er Jahre mehr als scheußlich und willkürlich finde.

Ich glaube auch nicht, daß das Ankleben von Verziehrungen etwas mit guter Architektur zu tun hat. Sie ist eigentlich vielmehr Ausdruck von mangelnder Aussagekraft eines Gebäudes, möchte meist von vorhandenen Qualitätsmängeln "ablenken".
Für mich kommen Reliefausbildungen in der Fassade vor allem zur optischen Gliederung in Frage oder um vielleicht ein dahinterstehendes Tragsystem anzudeuten. Jedenfalls nicht als "Malfläche", sondern als Ausdruck der Architektur. Zur Unterstreichung des Charakters, aber nicht als Ersatz für einen solchen.
Glas, Stahl und Beton sind für städtische Bauten eben die Werkstoffe, die ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug auf ihre Einsatzmöglichkeiten bieten. Im Wohnungsbau könnte und sollte man vielleicht auch wieder etwas mehr Vielfalt ermöglichen, aber mit niedlichen Altbaukopien im mittelalterlichen Stadtkernstil wird die Welt - meiner Meinung nach - auch nicht lebenswerter.

Grüße,
Samy

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