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-   -   Was ist ein gutes Arbeitsklima wert? (https://www.tektorum.de/beruf-karriere/7266-gutes-arbeitsklima-wert.html)

Samsarah 24.03.2011 19:30

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Scheinselbständigkeit ist kein legaler Status. Insofern ist das schon Betrug und nicht nur moralischer. Die Strafen sind mittlerweile auch recht empfindlich.

Selbständig zu sein (und das bist Du für das Finanzamt auf dem Papier) bedeutet z.B. Steuererklärungen machen zu müssen, sich mit Rechnungs- und Buchungswesen auseinander zu setzen. Auch die Aussage, dass Du ja über das Büro versichert bist, gilt nur, wenn das vertraglich so vereinbart ist. Denn als Selbständiger (Scheinselbständig gibt es eben nicht als Status), haftest Du erstmal für Deine Leistungen. In der Praxis wird das vermutlich selten zu Konflikten führen, aber wenigstens ein paar Gedanken sollte man daran verschwenden.
Und Mehrkosten entstehen Dir alleine schon dadurch, dass Du Deine Krankenkasse komplett tragen musst und der Arbeitgeberanteil entfällt, ebenso wie die sozialen Benefits, die Arbeitnehmer sonst noch haben. Theoretisch musst Du jeden Monat einen Mindestbetrag in private Altersvorsorge investieren, wenn die Grundversorgung gesichert sein soll. Das sind alles Punkte, die man kurzfristig vielleicht ignorieren kann, aber ich sehe an allen Ecken und Enden Leute, die das über Jahre so betreiben. Und die werden irgendwann das böse Erwachen haben.

Aber es scheint, dass Du da um jeden (noch so schlechten) Preis bleiben willst. Sei Dir nur bewusst, was Du da tust und steck Dir mindestens einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen Du da raus kommst, sei es durch bessere Konditionen oder einen neuen Job. Wir können Dir raten und gut zureden soviel wir wollen, entscheiden musst Du es allein.

Archimedes 24.03.2011 21:31

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Zitat von Samsarah (Beitrag 43109)
Scheinselbständigkeit ist kein legaler Status. Insofern ist das schon Betrug und nicht nur moralischer..

Aber hier müssen wir doch trennen. Es ist nicht Betrug von Seiten des Chefs, sondern von Seiten der Scheinselbständigen. Denn ich glaube nicht, dass der Chef ihr explizit verboten hat auch für andere zu arbeiten und somit nicht scheinselbständig zu sein. Ich glaube er hat kein Problem.

Samsarah 25.03.2011 08:31

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Bei Auffliegen zahlt der AG die Strafe (und nicht nur die ausstehenden Sozialabgaben). Und wenn der Auftrag ein angestelltenähnliches Verhältnis voraussetzt, über einen längeren Zeitraum, und auch gar nicht zulässt, dass man weitere Aufträge annimmt, noch dazu bei der Bezahlung, dann kann man doch wirklich nicht so tun, als sei die Verantwortung beim Auftragnehmer.
Der AG nutzt hier doch eindeutig die Situation des Auftragnehmers aus zum eigenen Vorteil.

Aber ich stimme zu, dass wir als Auftragnehmer natürlich auch eine moralische Verantwortung tragen und mit der Schönsauferei und der Selbstausbeutung einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Gesamtsituation beitragen.

Archimedes 25.03.2011 08:46

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Zitat von Samsarah (Beitrag 43126)
Bei Auffliegen zahlt der AG die Strafe (und nicht nur die ausstehenden Sozialabgaben). Und wenn der Auftrag ein angestelltenähnliches Verhältnis voraussetzt, über einen längeren Zeitraum, und auch gar nicht zulässt, dass man weitere Aufträge annimmt, ...

Bist Du Dir sicher das der AG generell die Strafe zahlen muß?

Ich denke, es hängt stark davon ab was er weiß und ob es eine nachweisbare Vereinbarung gibt, die ein angestelltenähnliches Beschäftigungsverhältnis darstellt.

Da die Wochenarbeitszeit für Selbständige meines Wissens nicht begrenzt ist, könnte der AG sagen, daß er, obwohl die AN 50 Stunden/Woche für ihn arbeitet, davon ausgegangen ist, daß sie noch mehrere Stunden für andere AGs arbeitet. Ich glaube er ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob sie wirklich noch andere AGs hat. Wie könnte er das auch? Die Scheinselbständigkeit dürfte daher hauptsächlich ihr Problem sein, wenn sie nicht belegen kann, daß der Chef sie eigentlich als Angestellte behandelt.
Das sie einen total unauskömmlichen Stundenlohn für ihre Leistungen vereinbart hat, ist unternehmerisches Risiko bzw. Dummheit. Kann man das einem AG wirklich vorwerfen???

Kauft nicht Jeder von uns so günstig wie möglich ein und fragt sich nicht, ob der der es verkauft davon leben kann?

Archiologe 25.03.2011 10:21

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Zitat von Archimedes (Beitrag 43128)
Die Scheinselbständigkeit dürfte daher hauptsächlich ihr Problem sein, wenn sie nicht belegen kann, daß der Chef sie eigentlich als Angestellte behandelt.

Arbeitet sie denn überhaupt von zu Hause aus? Oder sitzt sie wie jeder andere Angestellte des Chefs in dessen Büro? Weil sie 40h/Woche und keinen Stundenlohn vereinbart hat, kommt mir das irgendwie komisch vor!

Scheinselbstständigkeit heißt ja, daß keine wirkliche Selbstständigkeit vorliegt. Heißt für mich, daß sie eigentlich im Büroteam arbeitet. Selbstständige haben normalerweise auch keinen zu großen täglichen Kontakt zu allen anderen Angestellten. Er/sie liefert die beauftragten Leistungen nach Besprechung mit dem Auftraggeber (hier wohl dem Büroinhaber) ab und gut. So kenne ich das aus anderen Büros.

Archiologe 25.03.2011 11:55

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zumindest hat sie ja immer nur einen Auftraggeber und wohl einen immer fortlaufend unbefristenten Vertrag.
Das reicht ja eigentlich schon, um beide Vertragsparteien (auch den Auftraggeber) zu überführen! :cool:

noone 25.03.2011 12:27

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Das ist hart und soweit würde ich nicht gehen. Mag sein, daß man den Chef als Ausbeuter bezeichnen kann, aber er betrügt doch nicht, sondern nutzt das Angebot an "billigen scheinselbständigen" Arbeitskräften. Es gehören immer zwei Seiten dazu.
Zitat:

Da die Wochenarbeitszeit für Selbständige meines Wissens nicht begrenzt ist, könnte der AG sagen, daß er, obwohl die AN 50 Stunden/Woche für ihn arbeitet, davon ausgegangen ist, daß sie noch mehrere Stunden für andere AGs arbeitet. Ich glaube er ist nicht verpflichtet zu prüfen, ob sie wirklich noch andere AGs hat. Wie könnte er das auch? Die Scheinselbständigkeit dürfte daher hauptsächlich ihr Problem sein, wenn sie nicht belegen kann, daß der Chef sie eigentlich als Angestellte behandelt.

--> hier liegt eindeutig eine Scheinselbstständigkeit vor.

Die Zeiten, indem die Selbstständigkeit alleine über mehrere AGs umgehen werden kann, ist längst vorbei. Inzwischen ist die Struktur ausschlaggebend. z.B. wird Scheinselbstständigkeit definiert über:

- Telefondienst
- Anwesenheitspflicht im Büro des Unternehmens zu fixen Zeiten
- Integration in die Struktur des Unternehmens bzw. der Hierarchie


Der Schuldige hierbei ist definitiv der Auftraggeber, da er die Anwesenheitspflicht und alles weitere bestimmt.

Der AN ist definitiv durch die Selbstständigkeit schlecher gestellt, denn er hat keinen Sozialversicherungsschutz, keine Rentenvorsorge, und geht auch bei sonstigen staatlichen Förderprogramme bez. privater Vorsorge (z.B. Riesterrente) leer aus. Und dann hat er ständig Probleme bei nachweis von Einkommen, Kreditaufnahme und so weiter.

Die Diskussion der Schuldzuweisung wurde tausendmal im Forum geführt, man kann genausogut einem Friseur nahelegen, er sollte seinen Beruf für 3 € pro Stunde nicht ausüben.

Diese Missstände sind inzwischen Branchenübergreifend, und keineswegs ein exklusives Problem der Architektur.

Archimedes 25.03.2011 13:04

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Zitat von noone (Beitrag 43131)
Inzwischen ist die Struktur ausschlaggebend. z.B. wird Scheinselbstständigkeit definiert über:

- Telefondienst
- Anwesenheitspflicht im Büro des Unternehmens zu fixen Zeiten
- Integration in die Struktur des Unternehmens bzw. der Hierarchie

Sind diese Punkte den in diesem Fall geklärt? Vielleicht habe ich nicht alles gelesen, aber gibt es dazu ein schriftliche Vereinbarung?

Zitat:

Zitat von noone (Beitrag 43131)
Der Schuldige hierbei ist definitiv der Auftraggeber, da er die Anwesenheitspflicht und alles weitere bestimmt.

Ist das so? Es klingt für mich zu einfach.

Wie gesagt: Wer kann/muß prüfen, ob jemand der etwas anbietet (Dienstleistung, Waren), daß auch darf?
Der Chef könnte doch behaupten, er sei von der AN hinter's Licht geführt worden.

Archiologe 25.03.2011 13:34

AW: Was ist ein gutes Arbeitsklima wert?
 
Zitat:

Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit

-Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber
Bei der Auslegung des Begriffs „im Wesentlichen“ gehen die Sozialversicherungsträger von einem Anteil von fünf Sechsteln des Umsatzes mit einem Auftraggeber aus. Es genügt nicht, vertraglich die Zulässigkeit weiterer Auftragsverhältnisse festzustellen, sondern die Auftraggeber müssen tatsächlich nachgewiesen werden.

-Auftraggeber hat Beschäftigte, die dieselben Tätigkeiten verrichten wie der Selbstständige

-Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers - kein unternehmerisches Handeln
Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit sind folgende Merkmale: das Unternehmen besitzt kein eigenes Firmenschild, keine eigenen Geschäftsräume, kein eigenes Briefpapier oder Visitenkarten. Der Unternehmer tritt in der Arbeitskleidung des Auftraggebers auf. (Anmerkung meinerseits: Z.B. ohne eigene Plansignatur bzw. die ausschließliche Verwendung des Auftrageber-Büronamens auf den bearbeitenten Plänen!

aber

Zitat:

Mit Wegfall der Vermutungsregelung wird die Beweislast endgültig in die Hände der Einzugsstellen und Betriebsprüfer zurückgegeben. Konnten diese Stellen sich früher wegen mangelnder Mitwirkung kein genaues Bild über die zu beurteilende Tätigkeit machen, durften sie eine Beschäftigung vermuten, wenn in ihren Augen drei von fünf im Gesetz präzisierten Merkmalen vorlagen. Nun müssen die Prüfenden auch bei mangelnder Mitwirkung nachweisen, dass es sich wirklich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (und nicht um Selbstständigkeit) handelt.
Quelle: http://www.frankfurt-main.ihk.de/rec...eit/index.html


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