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Florian 28.11.2006 15:32

Und der Architekt hat doch noch Rechte: Rechtsstreit um den Hauptbahnhof
 
Zitat:

Im Urheberrechtsstreit um die Architektur des Berliner Hauptbahnhofs hat die Bahn eine schwere Schlappe erlitten.

Das Berliner Landgericht hat der Klage des Hauptbahnhofarchitekten Meinhard von Gerkan stattgegeben, wie eine Gerichtssprecherin am Dienstag sagte. Nach diesem Urteil muss die Bahn die Decke im Untergeschoss des Hauptbahnhofs umbauen.
Quelle: http://www.rbb-online.de/_/nachricht...ws5105535.html

Flo 28.11.2006 16:10

Und hier:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,451178,00.html

Sehr spannend. Mal sehen, wie das ausgeht.

Florian

tenorvision 28.11.2006 16:43

:D
bin mal gespannt wieviel architekten sich in zukunft auf dieses urteil berufen werden.
es wird sicherlich eine gute " argumentationshilfe" für uns sein.

mfg
tenorvision

Florian 28.11.2006 19:37

Ein solches Urteil dürfte prinzipiell einiges an Wert für den Architekten haben.

Dies wird als Präzedenzfall den ein oder anderen Bauherren davon abhalten, den Architekten während des Bauprozesses zu übergehen.
Der Entwurf eines Architekten unterliegt einem Urheberrecht. D.h. wenn der Entwurf gekauft wird (im Wettbewerb), hat der Bauherr dennoch nicht das Recht alles damit zu machen.
Wichtig ist in diesem Verfahren aber meines Wissens, dass Nutzung und Kosten KEINE Rolle gespielt haben. D.h. der Architektenentwurf hätte weder mehr gekostet noch die Nutzung beeinträchtigt.
Von tatsächlicher Relevanz wird das aber vermutlich nur für öffentliche Bauprojekte. Der private Bauherr wird in seinem Haus machen können was er will.

Bevor aber die Sektkorken anderer Architekten knallen, sollte vielleicht noch abgewartet werden ob Berufung eingereicht wird und wie dies dann ausgeht.

Archimedes 29.11.2006 10:15

Schön das auch ein Architekt mal RECHT haben darf.

Bin mal gespannt ob Florians Chef (von Gerkan) was zum aktuellen Urteil erzählen wird.
Werde morgen abend einen Vortrag von ihm im Arcelor Headquarter besuchen, die doch, soweit mir bekannt, auch bei dem Projekt die Finger im Spiel hatten,

Samsarah 29.11.2006 11:51

Ich denke, maßgeblich ist die Definition des Gerichts, den Hauptbahnhof als Gesamtkunstwerk einzustufen. Da stellt sich schon die Frage, ob man diese Definition jetzt auf jeden Typus übertragen kann - eher unwahrscheinlich oder zumindest im Einzelfall zu klären. Und das Ausmaß der Beeinträchtigung spielt hier auch eine entscheidende Rolle. Ich schätze, dass die Konsequenzen im Baualltag kaum spurbar sein werden. Das mag für Groß- und Prestigeprojekte, bei denen der "Name des Künstlers" auch zur Imageprägung eingesetzt wird in Zukunft aber vielleicht doch unsere Position stärken.

noone 29.11.2006 12:26

Das Urteil ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Bleibt zu hoffen, daß auch bei No-Name Architekten das Urheberrecht demnächst mehr geschützt wird, und durch diesen Präzedenzfall auch Entfernen einzelner Fassadenelementen oder Umbauten die den Charakter des Gebäudes zerstören, untersagt werden kann.

Jedenfalls toll, daß endlich mal die Arbeit des Architekten gewürdigt und geschützt worden ist!

Maller 29.11.2006 14:58

Zitat:

Originally posted by Archimedes
Schön das auch ein Architekt mal RECHT haben darf.

Bin mal gespannt ob Florians Chef (von Gerkan) was zum aktuellen Urteil erzählen wird.
Werde morgen abend einen Vortrag von ihm im Arcelor Headquarter besuchen, die doch, soweit mir bekannt, auch bei dem Projekt die Finger im Spiel hatten,


Frag ihn doch mal wie er damit klar kommt dass sein Gebäude auf die gleiche Stufe wie Kunst am Bau usw. gestellt wurde... Gerade Gerkan hat in Interviews doch immer die Abgrenzung der Architektur von den freien Künsten (Musik, Schriftsteller,usw...) betont. Und jetzt nimmt er ein Recht in Anspruch das bisher eher in diesen Künsten angewandt wurde.
Eben war im Radio schon vom "Ende des Architekten als Dienstleister" die Rede. Na gut...

Hm. Wie siehts eigentlich mit dem "geistigen Eigentum" aus? Wurde schonmal ein Architekt verklagt weil er die Ideen eines anderen geklaut hat?

Archimedes 29.11.2006 15:25

Zitat:

Originally posted by Maller
Frag ihn doch mal wie er damit klar kommt dass sein Gebäude auf die gleiche Stufe wie Kunst am Bau usw. gestellt wurde...
Ich werde Meini mal drauf anquatschen. Ich glaube morgen will er nur Englisch sprechen. Na, hoffentlich klappt das.
:D :D


[QUOTE]Originally posted by Maller
Hm. Wie siehts eigentlich mit dem "geistigen Eigentum" aus? Wurde schonmal ein Architekt verklagt weil er die Ideen eines anderen geklaut hat? [/QUOTE

Dann wäre wohl jeder von uns schoneinmal deswegen vor Gericht gewesen.
In der Regel wohl weniger wg. Vorsatz, sondern grober Fahrlässigkeit.
:D :D

Florian 29.11.2006 16:14

Zitat:

Originally posted by Maller
Hm. Wie siehts eigentlich mit dem "geistigen Eigentum" aus? Wurde schonmal ein Architekt verklagt weil er die Ideen eines anderen geklaut hat?
Das ist faktisch eigentlich unmöglich, denn wo fängt das "geistigen Eigentum" an.
Weil mein Haus Fenster hat, darf kein anderes mehr Fenster haben... ;)

Es gibt zwar Fälle wo man doch etwas die Luft anhält, wie im Falle des Reichstages, bei dem der Fosterentwurf nach der Nachbearbeitung plötzlich ein Ei wurde, so wie im Entwurf eines anderen Architekten.
Wenn man sich die Entwürfe aber nebeneinander ansieht, sind sie doch sehr unterschiedlich. Ein Patent auf eine geometrische Form kann nunmal nicht vergeben werden.

Man stelle sich mal vor, wie das wäre, wenn man als Architekt bei anderen nicht mal abgucken dürfte - dann würde ja keine Entwicklung mehr stattfinden.
Ich würde mal sagen, dass mit dem Kopieren ist so ähnlich wie in der Evolution. Gute Eigenschaften werden vererbt, schlechte sterben aus. Nicht jede Kopie ist damit zwangsweise genauso gut oder besser als das Original, aber mit Sicherheit werden am Ende im Schnitt nur die guten Dinge kopiert und überleben.
Kopieren ist eigentlich auch das falsch Wort, da eine Kopie dem Original gleicht. Architektur ist aber immer durch die direkte Umgebung beeinflusst und kann sich daher allerhöchstens ähneln.

Florian 29.11.2006 17:15

Zitat:

http://www.baunetz.de/db/news/?news_id=83136 Kommentar von Benedikt Hotze
[...]Bei aller Freude über die Stärkung der Baukultur in diesem Präzedenzurteil: Es kann natürlich auch nach hinten losgehen. Mancher Bauherr wird sich nun doppelt überlegen, ob er einen so genannten „Star-Architekten“ (wie von Gerkan neuerdings immer in der Presse bezeichnet wird) beauftragt, oder ob er nicht vielmehr einen künstlerisch so unbedeutenden Entwurf realisiert, dass die für das Urheberrecht erforderliche „besondere Schöpfungshöhe“ erst gar nicht erreicht wird. Wenn Mehdorn noch einmal bauen dürfte – was der Himmel verhindern möge – würde er wohl eine Fertigteilkiste aus dem Katalog wählen. Dort redet ihm dann kein lästiges Gericht mehr im Namen der Baukultur drein.
Ich halte die zitierte "Angst" für äusserst unberechtigt, denn wie viele Bauherren verbieten dem Architekten den freien Zugang auf das Baugelände, schwärzen Ausschreibungsergebnisse und übergehen den Architekten während des Bauprozesses derart, wie die DB.
Ein Architekt wird nur „Star-Architekten“ wenn seine Entwürfe eine besondere Qualität haben, deshalb wählt man den Architekten ja auch aus - und wenn es bei der Zulassung zum Wettbewerb ist.
Und wenn ich ihn mir nicht auswählen kann - weil er sich z.B. sein Recht auf Teilnahme am Wettbewerbe einklagt, ja dann kann ich mir den Architekten eh nicht aussuchen...

Ich glaube mit einem solchen Prozess wurde auch mal ganz deutlich gemacht, dass gewisse Gebäude nicht den privaten Bauinteressen dienen.
Aldo Rossi nennt wenn ich mich nicht irre sogar konkret Bahnhöfe in seiner Permanenztheorie. Ein solcher Bahnhof ist prägend für das Stadtbild und darf deshalb nicht einem Bauherren/Konzern alleine überlassen sein. Nicht umsonst wird ein Wettbewerbe mit einer großen Jury ausgeschrieben und zu recht hat sogar jeder Bürger die Möglichkeit seine Bedenken vor der Genehmigung zu äussern.

Es bleibt übrigens auch noch abzuwarten, wie "das Volk" reagiert, wenn/falls der Umbau statt findet. Es gibt Konzerne die Millionen oder gar Milliarden zur Imagesteigerung in Architektur stecken. Prominentestes Beispiel dürfte VW sein.
Natürlich wird es den Bahnfahrer ärgern, falls die Bild beim nächsten mal unter dem Titel "Warum sollen wir mehr zahlen, Herr Meh(r)dorn?" (12.10.2006 http://www.bild.t-online.de) schreibt, "weil der Architekt die Bahn verklagt hat...

Archimedes 29.11.2006 17:20

Wer sagt uns eigentlich, dass nicht zwei Menschen an zwei verschiedenen Orten auf dieser Welt zur gleichen Zeit die gleiche Idee haben können?

Grosser Zufall ja, aber wohl nicht unmöglich.

Es ist ja auch immer einer Frage der Bedingungen. Wenn die Parameter für eine Entwurfsaufgabe so extrem begrenzt und eng gesetzt sind, dass es quasi nur 2 oder 3 mögliche Lösungsansätze geben kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sich Entwürfe ähneln.

Vollkommener Ideenschutz ist unmöglich, genauso wie der sichere Nachweis von Ideenklau.

Maller 30.11.2006 03:37

Re:
 
Zitat:

Originally posted by Tom





Hier steht ein bischen was auf der Seite des Radiosenders den ich heute morgen gehört habe... http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/568527/

Tom 30.11.2006 12:37

Tut mir leid, Maller - Ich hatte meinen Beitrag gestern noch gelöscht, bevor ich sah, dass Du darauf schon geantwortet hattest (wie das techn. möglich ist, weiß ich nicht). Kein echter Grund dafür, ich hatte nur das Gefühl, dass dieser Thread auch ohne mich auskommt ;) ...

Maller 30.11.2006 20:27

Zitat:

Originally posted by Tom
Tut mir leid, Maller - Ich hatte meinen Beitrag gestern noch gelöscht, bevor ich sah, dass Du darauf schon geantwortet hattest (wie das techn. möglich ist, weiß ich nicht). Kein echter Grund dafür, ich hatte nur das Gefühl, dass dieser Thread auch ohne mich auskommt ;) ...
Hm. Das war doch schonmal beim "Was ist entwerfen?" Thema.
Da wollt ich grad antworten und da war dein Beitrag schon wieder weg...
Naja. dann ich glaub ich änder meinen vorigen Beitrag dann auch mal ein bischen ab. :D

Tom 30.11.2006 20:59

Ich habe öfters das Gefühl, dass ein Thread ohne mich auskommt, *nachdem* ich was geschrieben habe ;). Nix für ungut, löschen meines Zitates war nicht nötig ...

Dann doch noch etwas zum Thema: a) Mehdorn kämpft weiter; die Sache ist also noch nicht durch. b) Zu den Richtern, die nun "entscheiden, was Kunst ist": Zukünftige Urteile dieser Art werden sich auch auf externe Gutachten stützen können, so wie es bei ähnlichen Fällen schon vorkam und im Industriedesign bei Fragen von Plagiatismus und der "Schöpfungshöhe" üblich ist. c) Ich glaube, es ist weit überwiegend ein persönliches Ding zwischen G. und M. - weitergehende Schlüsse über die Baukultur und ihren gesellschaftl. Stand würde ich nicht ziehen. d) Man muss das Gewölbe nicht schön finden, um aus Prinzip für die Position G.s einzutreten.

Mehdorn sagt(e), er habe einen funktionalen Bahnhof bestellt und keine Kathedrale - das ist/war ja schon fast eine architektonische Aussage ;). Bei ihm mischen sich also Unverschämtheit, Bauherren-Willkür, Manager-Ignoranz mit dem Gespür, dass dieses Wunder-Gewölbe evtl. etwas überzogen sein könnte. Soll keine Verteidigung sein ...

Am aberwitzigsten finde ich, dass die Teile der verkürzten Glashalle (Stahlkonstruktion + Gläser, das andere G. <-> M. Problem) maßgefertigt und bezahlt eingelagert sind. Ich könnte mir vorstellen, dass die Architekten auch da noch auf die Zukunft spekulieren, auf die Zeit nach Mehdorn. Und eines schönen, verkehrsruhigen Ostermontags 2011 nehmen sie die Teile und bauen sie auf ;) ...

Archimedes 01.12.2006 08:36

Habe ja gestern das Vergnügen gehabt einen Vortrag von v. Gerkan zu besuchen.

Er ist natürlich auch zwangsläufig auf die aktuellen Ereignisse eingegangen und konnte das Siegerlächeln nicht verbergen.

War wirklich interessant. Er hatte, um die Unvereinbarkeit zwischen Gebautem und Geplantem deutlich zu machen, einige markige, teils witzige, Visualisierungen vorbereiten lassen und hat sich nach wie vor entschlossen gegeben, Amüsiert hat er sich darüber, dass vor allem die 1. Klasse der Zugreisenden von der Verkürzung der Bahnhofshalle betroffen ist.

In den nächsten Tagen wird man wohl noch viel darüber lesen können, denn wie er sagte hat er seit Dienstag mind. 15 Interviews in verschiedenen Medien gegeben,

Flo 01.12.2006 09:03

Zitat:

Hm. Wie siehts eigentlich mit dem "geistigen Eigentum" aus? Wurde schonmal ein Architekt verklagt weil er die Ideen eines anderen geklaut hat?
Wenn ich mich recht errinere, wurde in Berlin mal ein Architekt verklagt, weil er angeblich den Stil von Inken Baller imitiert hat. Wie das ausgegangen ist, weiss ich aber nicht.

Florian

tenorvision 01.12.2006 09:18

ingenhoven hat mal teherani verklagt, weil teherani einen grundriss 1:1 kopiert hat.
allerdings habe ich nicht parat wie der prozess ausgegangen ist.das werde ich aber heute mittag in erfahrung bringen und kundtun.

mfg
tenorvision

Tom 01.12.2006 12:52

Zitat:

Originally posted by Archimedes
Er hatte, um die Unvereinbarkeit zwischen Gebautem und Geplantem deutlich zu machen, einige markige, teils witzige, Visualisierungen vorbereiten lassen ...
Was meinte er/meinst Du damit genau? Pfusch am Bau? Missverständnisse zwischen Archi und Ing.? Oder eben Uneinigkeit zwischen Archi und Bauherr und -frau?

Zu dem Raum (der unteren Halle im Lehrter Bahnhof) kann ich noch meinen persönlichen Eindruck anfügen, dass es sich dabei schon um ein sehr, sehr beeindruckend großes Volumen handelt, das mit der absolut glatten, ebenen, hohen Decke momentan schon ein Bedürfnis nach Gliederung erweckt. Die unteren Bahnsteige sind ja eine riesige rechteckige Betonwanne - und man hat das Gefühl eines leeren Trockendocks (oder besser: Atom-U-Boot-Bunkers), in das mehrere Containerschiffe passen würden. Man kann sich aber eben schon Alternativen zu dem Gewölbe denken; m. E passt dieser Gewölbe-Duktus zu den überirdischen Stahlkonstruktionen nicht wirklich gut ...

Ich glaube, in dem Verhältnis zwischen G. und M. hat es schon früh Kränkungen auf beiden Seiten gegeben, die eine vernünftige Kommunikation nicht mehr möglich gemacht haben (erinnere mich nur an Vorlesungen in den 90ern). Und wenn man mal den Bauherrn öffentlich auf allen Kanälen als "Banause" beschimpft (G.) und dem Architekten via Weltpresse einen "Egotrip" unterstellt (M.), ist wohl alles verloren.

Zu den zahlreichen Interviews von G.: Ich finde seine PR-Arbeitet in eigener Sache meisterhaft. Er hat ja schon zur Zeit der Einweihung einen Kunst- bzw. Architekturgeschichtler in der WamS seinen Konflikt mit den berühmten Konflikten zwischen Archi und Bauherr in der Renaissance vergleichen lassen - und das war nur die publizistische Spitze einer sehr professionellen Meinungsmache in eigener Sache. Man findet auch US-Websites, auf denen der Konflikt mit O-Tönen referiert wird. Auf diese Weise werden heute eben solche Reibereien prof. ausgefochten. Aber Zeit und Kraft kostet sowas (und normalerweise auch Geld, wenn man die PR nicht selbst machen kann/will) ...

Archimedes 01.12.2006 13:22

Zitat:

Originally posted by Tom
Was meinte er/meinst Du damit genau? Pfusch am Bau? Missverständnisse zwischen Archi und Ing.? Oder eben Uneinigkeit zwischen Archi und Bauherr und -frau?


Es ging dabei rein um die Veränderungen am ursprünglichen Entwurf durch die Verantwortlichen bei der Bahn.

Er hat keinerlei Zweifel an der hohen Ausführungsqualität erweckt und auch an den Ingenieuren (mit denen er ja auch bei vielen anderen Projekten "verheiratet" ist) hat er nichts auszusetzen gehabt.

Seine ganzen Erläuterungen zum Lehrter Bahnhof (Dauer ca. 10 Minuten) waren aber "überschattet" von den Manipulationen an diesem wie er (in etwa) sagte: "Bedeutenstem Verkehrsbau Europas dieses und der nächsten Jahre". Es ging ihm tatsächlich um die beiden Hauptsünden:
Also Erstens, dass Kürzen des Glas-Stahl-Daches über dem Oberen Bahnsteig, so dass man vom Knotenpunkt im Inneren das westliche Ende nur als grosses gähnendes Loch und nicht als gekrümmten Glaskanal wahrnimmt. Von Aussen ganz zu schweigen.
Zweitens um die "Supermarktdecke" in der unteren Ebene.
In Details und anderen Modifikationen hat er sich nicht verloren.
Zu diesen beiden Punkten hatte er halt ausdrucksstarke Fotomontagen bereit, die er vermutlich auch während des Prozesses verwendet hat.
Die Kürzung der Glashalle hat er mit einer imposanten Aufnahme eines vollgetakelten 4-Mast-Segler verdeutlich, dem man dann per Photoshop das Heck und den Bug, sowie 2 seiner Masten gestutzt hatte.
Um den Zuschauer das Drama mit der Deckenkonstruktion näher zu bringen, hat er auf ein stimmungsvolles Foto eines romanischen Kreuzgewölbes zurückgegriffen, in welches man dann oberhalb der Stützenköpfe eine billige Akustikdecke reinretuschiert hatte.

Nachdem er dann seinen Bahnhof ins rechte Licht hatte, ist er zu den Projekten nach China gewechselt und hat damit den Lehrter Bahnhof, den er vorher hochstylisiert hatte, zu einem bescheidenen Bahnhöfchen degradiert, der in der Reihe seiner Megaprojekte nur wie eins von Vielen gewirkt hat.
überhaupt kam in seinem Vortrag doch etwas wenig Architektur rüber.
Er spulte in ca. 75 Minuten ca. 25 Grossprojekte (keines unter 50 Mio. €) runter, so wie andere Architekten ihre Einfamilienhäuser präsentieren.
Es ging um Ingenieurkunst, die Faszination und Leichtigkeit von Stahl-Glas-Kompositionen und vor allem um Gigantomanie.
Er hat sich bei diesem Vortrag augenscheinlich vor allem selbst am Meisten an der Grösse seiner Projekte gemessen und gerne mit grossen Zahlen (250.000 m², 500 m Länge, 300 m Höhe....) geglänzt.

Florian 01.12.2006 20:51

Eine Diskussion an dieser Stelle zu Großbüros wurde in ein eigenenes Thema unter dem Titel "Das Architekturbüro als Großkonzern" verschoben.

Tom 16.12.2006 15:18

Gerkan will auch das Fass mit den gekürzten Glashallen evtl. nochmal aufmachen: http://www.spiegel.de/kultur/gesells...454937,00.html. Die kürzere Version sei sogar teurer gewesen als die ursprüngliche lange, sagt der Bericht. Ich würde mir wünschen, dass die Verlängerung noch kommt.

Archimedes 16.12.2006 17:12

Die Kosten sind allen Beteiligten bei diesem Projekt wohl ziemlich aus dem Ruder gelaufen.

Die Konstruktion und die Gläser für die lange Hallenversion sind ja, wie Du bereits geschrieben hast, schon angefertigt und gelagert worden. Sie müssen also folglich auch schon bezahlt worden sein. Lediglich die Montage steht noch aus, was vermutlich aber nur noch 15-20% der Kosten ausmacht. Daher ist die derzeitige Ausführung auf den Meter gerechnet sicherlich teurer.

Ansonsten gibt es keine logische Erklärung dafür, daß die kürzere Version, wie sie jetzt vorhanden ist, in den Gesamtkosten teurer sein soll, wie die lange Version.

Es sei denn die Passagiere der 1. Klasse verklagen die Bahn jetzt regelmäßig auf Schadenersatz, weil sie sich bei mieser Witterung im Freien ihre Klamotten und Frisuren ruinieren....:D

Tom 16.12.2006 18:17

Zitat:

Originally posted by Archimedes
Ansonsten gibt es keine logische Erklärung dafür, daß die kürzere Version, wie sie jetzt vorhanden ist, in den Gesamtkosten teurer sein soll, wie die lange Version.

Es sei denn die Passagiere der 1. Klasse verklagen die Bahn jetzt regelmäßig auf Schadenersatz, weil sie sich bei mieser Witterung im Freien ihre Klamotten und Frisuren ruinieren....:D
Ich könnte mir vorstellen, dass da Anpassungsleistungen notwendig geworden sind, z. B. für die Abschlussportale (die Halle verjüngt sich ja in Grund- und Aufriss) - da ist ja jede Schraube mundgeblasen :p ...

FoVe 19.01.2007 09:06

Nach der gestrigen, stürmischen Aktion wird diese Diskussion wohl erneut "aufflammen".
Ist die Konstruktion des Bahnhofseingangsbereiches ein Gerkahn-Entwurf?

Wenn ja, dann schätze ich mal, wir Mr. G. demnächst etwas kleinere Brötchen backen.

Mir tut der Architekt leid, der für diese Konstruktion verantwortlich ist.
Ich behaupte mal, dessen Auftragsportefolio wird sich rapide ausdünnen.

Gruß

Martin

Florian 19.01.2007 09:16

Dummerweise oblag die die Baudurchführung bei der Deutschen Bahn, die wie ja hinreichend in der Presse geschildert wurde, nicht unbedingt nach den Plänen des Architekten gebaut hat.

Ich schätze, dass die Bahn die Bauleitung genauso betrieben hat, wie Mehdorn es pflegte, "Einsparungsentscheidungen" vorzunehmen...

FoVe 19.01.2007 09:47

Am besten also das ganze Ding abreissen und nochmal bauen :D :confused:

Ich bin mal gespannt, wie es da nun weitergeht.

Könnte wirklich sein, das Mehdorn da "geglänzt" hat.
Nichtsdestotrotz hat er irgendwelche Architekten dafür eingeschaltet.
IMHO wird er dann diese nun "schlachten".
Oder glaubt man etwa, Mehdorn sei an sowas dran Schuld? :rolleyes:

Gruß

Martin

mika 19.01.2007 10:38

Das hat der Sturm Kyrill schon getan. Der Hauptbahnhof ist heute wegen Sturmschäden gesperrt. Ein Träger soll eingebrochen sein.

Florian 19.01.2007 12:30

Zitat:

Originally posted by mika
Das hat der Sturm Kyrill schon getan. Der Hauptbahnhof ist heute wegen Sturmschäden gesperrt. Ein Träger soll eingebrochen sein.
ja, darum geht es gerade... :D

Zitat:

Originally posted by FoVe
Nichtsdestotrotz hat er irgendwelche Architekten dafür eingeschaltet.
Die Bahn hat ihre eigene Bauabteilung, also ist Mehdorn in letzter Instanz wohl schuld.

Flo 19.01.2007 12:39

Zitat:

Originally posted by mika
Das hat der Sturm Kyrill schon getan. Der Hauptbahnhof ist heute wegen Sturmschäden gesperrt. Ein Träger soll eingebrochen sein.
Einer?
Sieht mehr nach 3 Trägern aus:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,460862,00.html

Florian 19.01.2007 13:08

Zitat:

Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,460862,00.html
Die Statiker und Architekten müssten sagen, was schief gegangen sei.
[...]
Unklar war, ob die Schuld eher bei der Bahn oder beim Architekten zu suchen ist.

Sagt mal, steh ich auf dem Schlauch?

1.) Wieso werden hier eigentlich nur Architekt, Statiker und Bahn erwähnt - was ist bitte mit der ausführenden Firma oder gar den Materialherstellern? (Könnte auch ein Fall für die BAM sein.)

2.) Wie kann der Architekt an etwas Schuld sein, dass er in der Ausführung nicht mehr überwachen durfte und was vielleicht nichtmal nach seinen Originalplänen gebaut wurde?


Diese Zeitungsfuzzies :rolleyes:

mika 19.01.2007 14:08

Schuld hat sowieso nur die ausführende Firma.
Das fatale ist sogar, selbst, wenn sich die Firma genau an die Herstellerangaben hält, hat sie Schuld bzw. stet in der Gewehrleistungspflicht.

Tom 19.01.2007 15:51

"Nur Dekoration" seien diese Horizontalträger, schreibt SPON - kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Zwar gehen die Hauptlasten aus den Geschossdecken in die Vertikalen und zur Horizontalaussteifung dienen wohl die inneren Beton-Kerne. Aber zur Knick-Aussteifung werden die Horizontalen dann schon gebraucht. Letztlich mussten die nur sich selbst und die Windlast auf ihren eigenen Querschnitt tragen - und dann kann ein solches Teil einfach vom Wind weggeblasen werden? Spontan denke ich, da dürften doch ein paar Schrauben gefehlt haben ...

Man stelle sich mal vor, so ein Ding rauscht in eines der Glasdächer ... Ich könnte mir vorstellen, dass die Brückengeschosse über den Gleisen nun sehr schwer zu vermieten sein werden - da muss Mehdorn mit dem Bahnvorstand dann selber rein ;) ... Der Architekt ist m. E. schon der letzte in einem solchen Fall, der angegangen werden muss/darf: Tragwerksplaner, Prüfingenieur, Bauleiter, ausführende Firma, baubehördl. Zustimmung - 4-5 Augenpaare, die das unabhängig voneinander gutheißen. Der Architekt gibt den Plan für ein solches Tragwerks-Teil doch nur "gestalterisch frei".

mika 19.01.2007 16:48

Ja. Aus irgendeinem Grund, und dass läßt dann schon stark an der Kompetenz zweifeln, hat der berliner Innensenator Körting folgendes gesagt:

"Eigentlich dürfte so etwas nicht passieren[…]. Die Statiker und Architekten müssten sagen, was schief gegangen sei."

Damit kommt zum Vorscheinen, was der Rest der Menschen denkt und glaubt. Der Architekt hat Schuld.

FoVe 19.01.2007 16:59

Ich habs am LAC ( Lufthansa Aviation Center ) erlebt.

Glaubt ihr wirklich, ein GU oder eine ausführende Firma könnte wirklich was gegen einen Entwurf eines "großen" Büros entgegenbringen.
Da wird dann vielleicht noch ein Vorbehalt gemäß VOB zu den Akten genommen und eventuell hat man das Glück und der ausführende Architekt traut sich, gegen seinen Gruppenleiter und gegen den Willen der Geschäftsleitung einen Entwurf mal "umzubiegen".
Die Regel ist das jedoch nicht.
Es muß schon ganz hart kommen, wenn ein renomiertes Architekturbüro, welches auch die Bauleitung im Auftrag hat, von seinen Plänen abweicht.

Insofern denke ich auch, dass Mehdorn resp. seine Bauabteilung sich über Gehrkans Pläne weg bewegt haben.
Blamabel ist es für die Baubranche letztendlich aber doch - oder nicht?
Ich meine - hey - das ist nicht irgendein Schafstall in der Provinz sondern
der Hauptbahnhof der Hauptstadt.

Gruß

Martin

Florian 19.01.2007 17:11

Zitat:

Originally posted by FoVe
Glaubt ihr wirklich, ein GU oder eine ausführende Firma könnte wirklich was gegen einen Entwurf eines "großen" Büros entgegenbringen.
Da wird dann vielleicht noch ein Vorbehalt gemäß VOB zu den Akten genommen und eventuell hat man das Glück und der ausführende Architekt traut sich, gegen seinen Gruppenleiter und gegen den Willen der Geschäftsleitung einen Entwurf mal "umzubiegen".

Er soll ja auch nicht den Entwurf umbiegen, sondern die Ausführung so machen, dass es funktioniert.
Weder der Bauherr noch der Architekt kann immer genau wissen, wie man etwas baulich am besten umsetzt, aber eine Stahlbaufirma sollte genug Erfahrung haben und muss dem Architekten natürlich sagen, wenn etwas nicht geht.
Ich sehe aber keinen Grund warum man nicht Stahlträger miteinander verbinden können sollte - auch aussen... Also wohl kaum ein Fehler beim Architekten.

Tom 19.01.2007 17:47

Zitat:

Originally posted by Florian
Ich sehe aber keinen Grund warum man nicht Stahlträger miteinander verbinden können sollte - auch aussen... Also wohl kaum ein Fehler beim Architekten.
Eben - Ein solches Verbindungsdetail wird doch nicht in Alleinverantwortung des Architekten geplant. Das ist doch keine Leichtbau-Zwischenwand. Als Teil der Primärkonstruktion muss es da volle statische Nachweise vom Statiker und Prüfingenieur geben.

Die Bauleitung lag wohl komplett in Bahn-Hand (dieser eisenharte Ägypter, der 3 Herzinfarkte in den letzten 10 Jahren gehabt hat). Die Bahn hat auch volle Ingenieurbau-Kompetenz im eigenen Hause (Brücken + Tunnel).

Kein Architekt der Welt möchte/würde ein zweifelhaftes konstruktives Detail gegen die Fachplaner durchsetzen ...

Tom 19.01.2007 17:55

Zitat:

Originally posted by FoVe
Ich habs am LAC ( Lufthansa Aviation Center ) erlebt.

Glaubt ihr wirklich, ein GU oder eine ausführende Firma könnte wirklich was gegen einen Entwurf eines "großen" Büros entgegenbringen.
Da wird dann vielleicht noch ein Vorbehalt gemäß VOB zu den Akten genommen und eventuell hat man das Glück und der ausführende Architekt traut sich, gegen seinen Gruppenleiter und gegen den Willen der Geschäftsleitung einen Entwurf mal "umzubiegen".
Die Regel ist das jedoch nicht.
Es muß schon ganz hart kommen, wenn ein renomiertes Architekturbüro, welches auch die Bauleitung im Auftrag hat, von seinen Plänen abweicht. ...
Du redest hier aber doch nicht über Dispute im Hinblick auf die Statik und konstruktive Details der Primärkonstruktion. Die Verantwortung dafür liegt beim Fachingenieur.

Tom 19.01.2007 19:13

Erhellung des Details
 
Die BZ hat einige gute Einzelheiten zu berichten: http://www.bz-berlin.de/appl/newstic...pa&id=13572396. "Die Bahn musste eingestehen, dass die Stahlträger der Fassade nicht befestigt waren, sondern nur auf kleinen Verstrebungen lagen - aus architektonischen Gründen." Die Welt zeigt die passenden Photos von dem Träger-Anschluss. Da war offenbar weder etwas geschweißt, noch handelte es sich um (evtl. verdeckte) Schraubverbindungen. Die Hohlkasten-Träger lagen nur mit der oberen Kante auf 2 kleinen Stahlnasen lose auf.

Sind offenbar doch nur reine Verzierung - ich widerrufe ;) ...


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