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-   -   Was ist Architektur? (https://www.tektorum.de/entwurf-theorie/1836-architektur.html)

Maller 12.07.2005 22:41

Was ist Architektur?
 
Guten Morgen...
Jetzt zur Sommerpause wirds doch mal Zeit die wirklich wichtigen Themen zu diskutieren!

Also, bevor ich hier wieder einmal die Antwort zu meiner eigenen Frage liefere:
Was bezeichnet eurer Meinung nach das Wort Architektur und was kann Architektur alles leisten und was nicht???

Und folgend: Was kann ein Architekt ,eine Architektin oder mehrere Architekten leisten? Und was sollen sie leisten?

Wie gesagt ich hab eigene Meinungen dazu die man auch in kurzen Sätzen formulieren kann aber ich bin immer wieder neugierig was andere Personen von sich aus dazu sagen. Bzw. ob sie überhaupt etwas dazu sagen. und wie sie es sagen...

mrg 13.07.2005 13:10

gute frage, gute thematik

definitionen gibt es viele, kaum welche sind vollständig weil das arbeitsgebiet des architekten überaus umfassend ist.
die meiner meinung nach beste definition oder umschreibung des umfangs findet sich auf den seiten von wikipedia. ich denke treffender und umfangreicher kann man es nicht formulieren

*klick*



.. ok ok, ich gehe einer diskussion mit diesem posting aus dem weg, allerdings schließe ich mich den ausführungen der seite an ;)


==

architektur ist alles, was nicht umfällt :)

Tom 13.07.2005 19:11

Architektur = Bauaktivität + Geist ;)

Flo 13.07.2005 20:51

Zitat:

Originally posted by Tom
Architektur = Bauaktivität + Geist ;)
Würde das nicht bedeuten, dass es nur gute Architektur gibt? Dem ist ja nicht so.

Tom 13.07.2005 20:58

Nein, aber alles mit Geist kommt schonmal in die engere Wahl. Es gibt ja noch den Ungeist, den Scheingeist und den Zeitgeist :cool:

Florian 13.07.2005 23:44

Architektur ist zu Stein gewordene Musik... :p

jcr 14.07.2005 08:04

Zitat:

Architektur ist zu Stein gewordene Musik...
Nach dem morgendlichen Durchblättern der aktuellen Ausgabe von "wettbewerbe aktuell" komme ich eher zu der Erkenntnis, daß vieles, was da dargestellt ist, eher der zu Stein gewordenen Geräuschkulisse einer Anti-Hartz-Demo (Trillerpfeifen usw.) gleicht. Das hat Schopenhauer aber sicher nicht gemeint.

Tom 14.07.2005 13:13

Gute Gebäude haben Buddha-Natur.

Samsarah 14.07.2005 20:06

Und was genau möchtest Du damit zum Ausdruck bringen?

Ich finde Architektur bedeutet, mit baulichen Mitteln seine Umwelt zu gestalten.

Tobias 14.07.2005 21:55

Architektur ist ein Spiegel der Gesellschaft

Tom 17.07.2005 19:33

@Samsarah

Buddha-Natur: Die Natur des Geistes, die Essenz oder das Potenzial der Buddhaschaft, das in allen fühlenden Wesen gegenwärtig ist.

Samsarah 18.07.2005 09:55

@Tom:
Tut mir leid, aber ich versteh den konkreten Zusammenhang da nicht. Kannst Du das mal mit eigenen Worten beschreiben. Vor allem welche Werte oder Parameter mit dieser Definition verbunden sind.

Grüße,
Samy

Tom 18.07.2005 12:56

Ein Gebäude muss ein freundlicher Organismus sein, mit unverwechselbarem Charakter, mit Seele, einer spezifischen Identität. Mit einer interessanten "Vergangenheit" (das heisst Andeutungen darüber, wo es "her kommt" bzw. wie es entstanden ist), einem erkennbaren "Willen" (d.h. eine klare Haltung), mit kleinen Verrücktheiten und Spleens - und einer guten Portion Humor. Im Buddhismus gibt es doch die kleinen Denkaufgaben (jap. Koans), die der Zen-Meister seinem Schüler stellt, um seine Gefangenheit im westlich-analytischen Denken zu durchbrechen. Und da geht es auch oft darum, ob etwas Buddha-Natur habe oder nicht. Die einzige Frage beim Entwerfen ist: Hat das Gebilde schon Buddha-Natur - oder was fehlt, um es zum Leben zu erwecken und ihm eine Persönlichkeit zu geben? Die ganze Theorie erscheint bald als Buch - Bastei Lübbe hat schon Interesse signalisiert :D

Hier ist ein schöner kurzer Text über die Gestaltung von jap. Zen-Gärten: http://www.japangardens.de/Beitrag%201.htm.

secretgarden 19.07.2005 09:08

Zitat:

Originally posted by Tobias
Architektur ist ein Spiegel der Gesellschaft

WIE WAHR!!! *100%zustimm*

Samsarah 19.07.2005 09:48

Ich finde, das muß man aber eingrenzen, denn jedes Gebäude oder Ensemble spiegelt nur die Gesellschaft der Zeit wider, in der der sie entstanden ist. Daher ist sie eher ein Spiegel der Gesellschaftsgeschichte, oder nicht?
Ich würde andererseits auch noch einen Schritt weiter gehen, denn der Satz klingt mir zu passiv. Ohne naiv genug zu sein, zu glauben, mit Architektur die Welt verbessern zu können, finde ich doch, dass man mit Architektur einen aktiven Betirag zur Gesellschaft leistet - ob positiv oder negativ ist eine andere Frage. Aber nicht umsonst verbindet man mit vielen Gebäude auch eine historische Ära die meist in Verbindung zu einer Gesellschaftsvision steht, und sie wurde nur zu oft mißbraucht, um diese baulich zu manifestieren. Gesellschaft und Architektur bedingen sich also gegenseitig und das im zeitlichen Kontext.

Grüße,
Samy

Maller 19.07.2005 21:56

So , jetzt bin ich aber auch dran! :)
Naja, also die allgemeingültige Antwort auf die Frage was Architektur ist kann ich
zu diesem Zeitpunkt wohl auch noch nicht liefern..
oooohhhh :(

Aber vielleicht erstmal noch ein paar Diskussionsgrundlagen.

Ja, also in meiner Frage war es ja schon ein bischen drin enthalten...
"Was ,wie und ob..."
Was soll ich machen, wie soll ich es machen und muss ich überhaupt etwas machen... Vielleicht muss in der jeweiligen Situation ja gar kein Gebäude gebaut werden...

Wenn ich als Architekt (bin zwar noch student aber egal...) merke der Bauherr braucht keine Villa sondern irgendwas ganz anderes dann hab ich doch auch die Pflicht ihn darauf hinzuweisen.

Zum Vergleich Musik - Architektur schreib ich später noch was.
Nicht so viel auf einmal
(less is more..) Brüller....

Tom 19.07.2005 23:57

@Maller
Leg' noch was nach - sonst bin ich enttäuscht ;)

Maller 20.07.2005 13:57

Zitat:

Originally posted by Tom
@Maller
Leg' noch was nach - sonst bin ich enttäuscht ;)

Och... hab grad kein lust...

Na gut.
Also
Alles was man mit einem Rapidografen darstellen kann ist Architektur!
Alles andere ist dilletantismus!

Architektur ist wenn ein dummer Mann sich Traumschlösser ausdenkt und ein schlauer Mann ihm dafür die passenden Baudetails aus dem Glasbauatlas abzeichnet.

Architektur ist nur Form.
Im Gegensatz zur freien Kunst wo es auch einen Inhalt gibt.

"...Überall hat er es ja immer wieder mit Bauten und mit Architektur zu tun."
(Meinhard von Gerkan)

Architektur ist dann wenn der Mönch auf der Nonne liegt.

Architektur ist die geschickte Anordnung von Fluchttreppen und Brandschutzwänden.

"Alles ist Architektur"
(mir fällt grad der name nicht ein)

Soweit eine erste Bestandsaufnahme........

Und jetzt zu jcrs Beitrag über Geräuschkulissen in dem Wettbewerbs Heft...
Also eigentlich ist der Vergleich ja gar nicht so schlecht.
schließlich hat das Geräusch in der Musik ja eine ähnliche Bedeutung wie die Farbe weiß in der Architektur.
Das ungerichtete Geräusch das dreidimensional in den Raum ausstrahlt im Gegensatz zu den linearen Tönen.
Die "nicht-farbe" weiß , die räumliche tiefe schafft im Gegensatz zu der zweidimensionalen Farbe...
Wenn man das nun so weiterspinnt und sagt Architektur muss immer was räumliches sein und Farbe hat in der Architektur nichts zu suchen (ist zwar ne alte diskussion und die Leute die solche Sätze Gesagt haben sind auch schon fast alle tod aber seis drum...) dann bleibt ja irgendwie nicht sehr viel übrig was Architektur genannt werden kann... wenn ich mich so umsehe...

Aber wir wissen ja dass viele Menschen einfach nur das für richtig befinden was sie selbst mögen. und jemand der keine farblosen Häuser will der kann auch meistens nichts mit Musik anfangen die nur aus Geräuschen besteht...

Wenn ich mir deine (jcr) homepage ansehe dann scheinen die interessen ja auch tendenziell parrallel zu laufen. Alte Häuser mit schönen farbigen Fassaden und alte Musik mit schönen Harmonien...

oder liegt Professor Maller ausnahmsweise mal daneben..?

Tom 21.07.2005 13:42

Deine Antwort wirft viele Fragen auf ;). Sofort ins Auge sprang mir:

Zitat:

Originally posted by Maller
Architektur ist nur Form.
Im Gegensatz zur freien Kunst wo es auch einen Inhalt gibt.
Ich würde dagegen setzen:

Kunst = reine Bedeutung (durch Form)
Architektur = Bedeutung (durch Form) + Funktion

Wobei die Funktion sich in letzter Zeit klar auf dem absteigenden Ast befindet. Formwille und Ästhetik dominieren bei den aktuellen Säulenheiligen ja alles (gar nicht abwertend gemeint). Vielleicht liegt es auch daran, dass die Funktion heutzutage ganz selbstverständlich nebenbei erfüllt werden kann. Und daran, dass den Leuten die Funktion als zentrale Message bei einem Gebäude *bei weitem* nicht mehr genügt.

Andere Meinung?

H.B. 21.07.2005 14:32

Architektur
 
Ist schwer zu sagen finde ich....Ich denk mal nach


Architektur
....Summe historischer und gegenwärtiger Bauformen
....eine kooperative Leistung (Umgebung, Tradition)
....Aspekt der Sozialgeschichte der Menschheit
....der Mensch und seine gestaltete Umwelt
....die 3. Haut des Menschen

so, mehr fällt mir erstmal nicht ein.
ciao :)

aber nicht "alles" ist architektur. das musst du mal Näher erläutern.Architektur ist Archi tektur so wie Medizin Medizin ist. Ist jetzt Architektur auch Medizin oder wie soll ich das verstehen...erklär mal...

Florian 21.07.2005 21:41

So jetzt hben wir alle mit schönen Zitaten und Schlagworten um uns geworfen.

In den paar Minuten, in denen ich jetzt mal tatsächlich darüber nachgedacht habe - beim Lesen der Beiträge - kam mir eigentlich als erstes, das Architektur die harmonische Zusammenführung eines wohlproportionierten Raumes und Form ist. Nutzung, also Funktion spielt da eigentlich noch gar nicht so die Rolle. Aber alleine der Raum, also etwas umschlossenes, lässt Fragen aufkommen: Ist eine Brücke oder ein Aquädukt auch Architektur?

Jochen Vollmer 21.07.2005 23:37

Zitat:

Originally posted by jcr
Nach dem morgendlichen Durchblättern der aktuellen Ausgabe
von "wettbewerbe aktuell" komme ich eher zu der Erkenntnis, daß
vieles, was da dargestellt ist, eher der zu Stein gewordenen
Geräuschkulisse einer Anti-Hartz-Demo (Trillerpfeifen usw.) gleicht.
Das hat Schopenhauer aber sicher nicht gemeint.


Ich möchte an dieser Stelle nicht behaupten, dass diese Aussage von
jcr falsch ist. Dennoch: es bleibt ein Kommentar zur Architekturvorstellung,
die durch die entsprechenden Architekten und die Redaktion der
entsprechenden Zeitschrift vertreten wird. Die diesen Thread eröffnende
Frage verstehe ich – korrigiert mich wenn ich falsch liege – als
Aufforderung Position zu beziehen.
Das zitieren bereits bestehender Positionen ist legitimes Mittel um die
einleitende Frage zu beantworten; jedoch sehnt es mich, die ‚Diskussion’
verfolgend, nach einem virtuellen Äquivalent zum berühmten PHRASEN-
SCHWEIN! Es dürfte jedem klar sein, dass der Ball rund ist und das Spiel
90 Minuten dauert...

Was sich bis hier her abzeichnet scheint typisch für gegenwärtige
Gespräche nicht nur im Dunstkreis dessen was im Allgemeinen mit
Architektur betitelt wird: Es mangelt an (jungen) Menschen die den Mut
haben Stellung zu beziehen. Das ist nicht neu. Selbst ich beginne mich
damit abzufinden.


Deshalb möchte ich folgende Anmerkungen bzw. Fragen in den Raum
stellen:
  • Ausgerechnet ein Diskussionsteilnehmer der mit der Beschreibung
    „Theoretiker“ tituliert ist bedient sich einer Rhetorik, die leicht als
    „besser-wisserisch“ zumindest aber als bissig verstanden wird.
  • Ausgerechnet ein „Theoretiker“ gibt sich mit dem Kommentieren
    von Stellungnahmen zufrieden.
  • Ausgerechnet ein „Theoretiker“ versäumt es – bis hierher –
    Position zu beziehen.

Ist die (Architektur-)Theorie am Ende?

Wer, wenn nicht die Theoretiker, sind in der Lage neue Impulse zu geben?




PS: @ jcr – Es ist nicht meine Absicht Dich böswillig anzugreifen. Aus
älteren Beiträgen habe ich ein wage umrissenes Bild von Dir. Ich glaube
nicht, dass ein Besser-Wisser-Image, das ist, was Du Dir zum Ziel gesetzt
hast. Um qualitätvolle Bauwerke zu schaffen halte ich die theoretische
Auseinandersetzung für notwendig. Momentan scheint es mir vielerorts so,
als würde sich die theoretische Diskussion zunehmend verselbständigen
und um ihrer selbst Willen geführt. Hierin sehe ich einen wesentlichen
Aspekt, der zum aktuellen qualitativen Niveau von Architektur beträgt.[list]

Maks 21.07.2005 23:48

Hi Florian,

Zitat:

das Architektur die harmonische Zusammenführung eines wohlproportionierten Raumes und Form ist.
Das würde ich so nicht ganz unterschreiben wollen. Ich bin der Meinung, dass man mit Architektur Räume schafft. Diese Räume werden durch die Architektur beeinflußt. Die Architektur vermittelt Gesten die vom Betrachtenden, vom Erlebenden objektiv und subjektiv wahrgenommen werden können. Architektur ist ein Spiel mit der Wahrnehmung von Menschen. Formen, Materialien, Gesten wie Enge und Weite, Grenzen und Vertikalität beeinflussen die Eindrücke. Unterschiedliche Materialien vermitteln Wärme oder Kälte, Architektur erweist sich als einladend oder abwehrend, ermöglicht Zwänge oder absolute Freiheit. Das könnte man beliebig weiterführen, Architektur von fühlenden Menschen geschaffen wird, die unterschiedlichstes mit ihren Enwürfen erzeugen wollen.

Zitat:

Aber alleine der Raum, also etwas umschlossenes, lässt Fragen aufkommen: Ist eine Brücke oder ein Aquädukt auch Architektur?
Gegenfrage: Wie würdest du eine von Ando in der Landschaft platzierte Wandscheibe bezeichnen. Auch sie schafft, wie die Brücke neue Räume. Sie teilt einen Ort, und grenzt Räume voneinander ab. Deine Brücke verbindet zudem.
Das war vielleicht wieder keine klare Antwort, aber evt. eine Anregung.

Gruß

max

Maller 22.07.2005 01:41

Zitat:

Originally posted by Florian
So jetzt hben wir alle mit schönen Zitaten und Schlagworten um uns geworfen.

In den paar Minuten, in denen ich jetzt mal tatsächlich darüber nachgedacht habe - beim Lesen der Beiträge - kam mir eigentlich als erstes, das Architektur die harmonische Zusammenführung eines wohlproportionierten Raumes und Form ist. Nutzung, also Funktion spielt da eigentlich noch gar nicht so die Rolle. Aber alleine der Raum, also etwas umschlossenes, lässt Fragen aufkommen: Ist eine Brücke oder ein Aquädukt auch Architektur?

Also erstmal so als feststellung...
Raum schaffen kann kein Architekt...
und Raum definieren kann man auch mit ein paar Fähnchen die man in den Boden steckt und ein paar in der Luft ... (wie die da hängen soll jetzt egal sein.)

Ich versuch das jetzt so kurz wie möglich zu sagen.. Ich mag das selbst nicht wenn solche hammer-beiträge entstehen.

Die Behauptung Architektur ist nur Raum findet ihre entsprechung in der Musik mit der Feststellung Musik ist Zeit.
Und Zeit gibt es immer auch wenn keiner sie mit dem Taktstock anzeigt
und Raum gibt es auch wenn keine Wände von Tadao Ando sie "definieren..."
Also ist überall Architektur. Es sieht sie nur keiner
;)

Maller 22.07.2005 02:06

Zitat:

Originally posted by Jochen Vollmer


Was sich bis hier her abzeichnet scheint typisch für gegenwärtige
Gespräche nicht nur im Dunstkreis dessen was im Allgemeinen mit
Architektur betitelt wird: Es mangelt an (jungen) Menschen die den Mut
haben Stellung zu beziehen. Das ist nicht neu. Selbst ich beginne mich
damit abzufinden.
.[list]

Wieso? Was gibt es denn da Stellung zu beziehen?
Alles was man als Architekt wissen muss steht in den Konstruktionsatlanten von dem Verlag der auch die Detail Hefte rausgibt!
Dort ist alles richtig! Die Bibel kann man ja auch nicht diskutieren...



Im übrigen verfasse ich gerade eine lustige Arbeit mit Texten zu dem Thema.
Die werd ich dann wohl auch mal auf meiner Homepage ausstellen und zur Diskussion stellen. Und wenn ich dann der einzige bin der Stellung bezieht stört mich das persönlich gar nicht. dauert aber noch die Ferien...
Deshalb fehlt mir auch zur Zeit etwas die Muße in diesem Forum viel zu meiner eigenen Frage zu antworten...Das wäre dann auch nur aus dem Zusammenhang gerissen... Aber hilft mir schon was hier so geschrieben wird... ;) man glaubt es kaum...

Maller 22.07.2005 02:28

Zitat:

Originally posted by Tom
Deine Antwort wirft viele Fragen auf ;). Sofort ins Auge sprang mir:



Ich würde dagegen setzen:

Kunst = reine Bedeutung (durch Form)
Architektur = Bedeutung (durch Form) + Funktion

Wobei die Funktion sich in letzter Zeit klar auf dem absteigenden Ast befindet. Formwille und Ästhetik dominieren bei den aktuellen Säulenheiligen ja alles (gar nicht abwertend gemeint). Vielleicht liegt es auch daran, dass die Funktion heutzutage ganz selbstverständlich nebenbei erfüllt werden kann. Und daran, dass den Leuten die Funktion als zentrale Message bei einem Gebäude *bei weitem* nicht mehr genügt.

Andere Meinung?

Form braucht doch immer Inhalt. Wieso tauchen hier Beiträge auf wo nur von der Form die Rede ist. Man muss doch immer etwas haben was man formen kann.

Und welche Form wird erstellt ohne dass sie eine Fuktion hat?
welche Funktion hat denn der barcelona pavillon von van der Rohe?
Also wenn es winter ist wird es dort ganz schön kalt ohne klimahülle.
und trotzdem hat jemand das bedürfniss es zu bauen. Hat es vielleicht eine Funktion die nicht mit Messgeräten zu messen ist?
Was ist denn notwendig um eine Funktion zu erfüllen?
Und welche Funktionen soll Architektur erfüllen?
Alle die gestellt werden?
oder darf er sich welche aussuchen?
Ich stell schon wieder mehr fragen als ich antworten gebe... ;)

Jochen Vollmer 22.07.2005 10:36

Zitat:

Originally posted by Maller
Wieso? Was gibt es denn da Stellung zu beziehen?
Alles was man als Architekt wissen muss steht in den Konstruktionsatlanten von dem Verlag der auch die Detail
Hefte rausgibt! Dort ist alles richtig! Die Bibel kann man
ja auch nicht diskutieren...


Mmh - wenn dem so ist, dann kannst Du Dir die "lustige Arbeit
mit Texten zu dem Thema" ja sparen. :D Aber wie man aus
Deinem späteren Beitrag (zum Glück) erkennt gibt es durch-
aus einen nicht-physischen Teil, den Du der Architektur
zusprichst.
In der öffentlichen deutschen Architekturdiskussion wird dieser
Teil in der Regel vergessen(?). Leute wie Sobek, Petzinka,
Schlaich, Ingenhoven und Co haben es erfolgreich geschafft
Architektur auf technische Zusammenhänge zu reduzieren.
Irgendwelche Betonstehlen in Berlin werden lauthals denunziert.
Architektur wird in kapitalistischer Weise betrieben. Es wird nur
dann gebaut, wenn es was bringt!; genauer: Wenn es
was messbares bringt.
An dieser Stelle möchte ich das Fragezeichen von oben aufgreifen.
Wird der metaphysische Teil wirklich vergessen? Oder findet
durch die Konzentration auf das physische besser pysikalische
die Angst des jeweiligen Entwurfsverfassers ihren Ausdruck eine
Position zu beziehen, die von möglicherweise von der intersub-
jektiven Wahrnehmung abweicht? Schließlich können Herren wie
die oben genannten ihre Entwürfe mit Kilometern von Akten
begründen und herleiten - wie macht das wohl der Zumthor bei
seiner Therme?


Jochen Vollmer



PS: Ich würde mich freuen, kurz postest sobald Deine Arbeit
fertig ist/im Netz steht.
Kannst Du den Link zu Deiner Homepage noch anfügen?
In Deinem Profil fehlt er leider. Schönen Dank!

jcr 24.07.2005 20:05

Architektur ist eine Disziplin der Kunst, welche sich mit der für Menschen nutzbaren Schaffung von Räumen befaßt und durch die Komposition und das Erscheinungsbild von Flächen und Räumen und ihren jeweiligen Lichteffekten, Texturen usw. und oftmals in Verbindung mit anderen Disziplinen der Kunst, insbesondere der Malerei und der Skulptur, dem Betrachter ästhetische Befriedigung verschafft.
Bei guter Architektur ist dies insbesondere bei näherer Betrachtung und über einen längeren Zeitraum hinweg gewährleistet.


Auf den Beitrag "ad hominem" von Jochen Vollmer gehe ich nicht ein.

jcr 01.08.2005 09:34

Da der Beitrag nach den Pöbeleien eines Mitglieds eingeschlafen ist, ein Weckversuch am Montag in der Frühe.

Zitat:

Architektur ist ein Spiegel der Gesellschaft
Diese ist an sich nur eine Projektion des "retrospektiven Kollektivismus" der Kunstgeschichte ist ("Die Kunst einer Zeit ist der Spiegel der Gesellschaft dieser Zeit"), den beispielsweise E. Gombrich mit guten Gründen ablehnt(e). "Die Gesellschaft" gibt es nicht, sondern allenfalls einzelne Strömungen in derselben. Letztendlich ist aber jeder Unsinn als Abbild der Gesellschaft interpretierbar, man kommt in die Beliebigkeit, die man gerade an der bildenden Kunst beobachten kann. Bei diesen "Spiegeln" oder "Abbildern" (was im Endeffekt auf dasselbe hinausläuft) ist heute die Ästhetik irrelevant geworden, das Übertreten der Konvention ist jetzt selbst Konvention: dieses Jahr auf der Biennale in Venedig: auf minderwertigem, sich wellendem Papier ausgeplottete und mittels Bildbearbeitung veränderte photographierte Kothaufen... Wo bleibt die Utopie?

Guten Tag

Tom 01.08.2005 13:32

@jcr
Architektur- und Kunstschöpfungen sind nur im Kontext der Glaubens- und Wissenssysteme erklärbar, innerhalb derer sie entstanden sind. Und diese Systeme sind etwas Kollektives, mit einer je individuellen Färbung des Künstlers / Architekten. Moderne Kunst spiegelt natürlich schon den Geist unserer Zeit - nur dass Kunstwerke heutzutage in ihrer Aussage wesentlich komplexer sind als z.B. in der Renaissance - auch weil es einen verbindlichen Grundkonsens in der Gesellschaft nicht mehr gibt.

Florian 01.08.2005 20:46

Zitat:

Originally posted by Maller

Raum schaffen kann kein Architekt...

[...]
Raum gibt es auch wenn keine Wände von Tadao Ando sie "definieren..."
Also ist überall Architektur. Es sieht sie nur keiner
;)

Du irrst, aber das ist nicht so schlimm, "der Mensch irrt, so lang er strebt". (Goethe)
Was Du meinst würde ich dann Weite nennen...

Hier mal was Wikipedia dazu beisteuern kann (http://de.wikipedia.org/wiki/Raum):


Raum (v. althochdeutsch r?mi: weit, geräumig) bedeutet:
Ein Raum (im allgemeinsten Sinne) ist innerhalb eines Modells immer dann gegeben, wenn in Bezug auf dieses Modell eine Aussage über das Vorhandensein von mindestens zwei voneinander unterscheidbaren Objekten möglich ist. Ein Raum wird durch die Gesamtheit aller in ihm möglichen Objektrelationen spezifiziert.

1.
im Sinne der Architektur ein durch Bauteile oder Gebäude wahrnehmbar definierter Bereich. z.B. Platzraum, Außenraum, Innenraum. Das Definieren, Fügen und Gestalten von Räumen ist ein zentrale Aufgabe der Architektur.

2.
im Sprachgebrauch ein zum Wohnen bzw. Nutzen verwendeter, von Wänden, Boden und Decke (Bauteil) umschlossener Teil eines Gebäudes; siehe Zimmer

3.
Verschiedene Bedeutungen in der Mathematik - gemeint sind stets Mengen, die mit einer Struktur versehen sind: siehe Raum (Mathematik)

4.
Der physikalische Raum als "Behälter" aller Dinge: Raum (Physik)

5.
in Länge, Breite, Höhe nicht fest eingegrenzte Ausdehnung (der unendliche Raum des Universums)

6.
in Länge, Breite, Höhe fest eingegrenzte Ausdehnung (umbauter Raum)

7.
für einen Zweck zur Verfügung stehender Platz (freier Raum [beim Ballspiel], das Thema nimmt breiten Raum ein)

8.
Kurzwort für Weltraum (den Raum erobern)

9.
in der Geographie ein bestimmtes Gebiet (im Raum Berlin)

10.
in der Soziologie (als sozialer Raum) z.B. ein Gegenstand der Stadt- und Architektursoziologie

11.
beim Regattasegeln den Zuruf zu einem näher kommenden Schiff, wenn man der Meinung ist, Vorfahrt zu haben.

Jochen Vollmer 01.08.2005 21:23

"Die Gesellschaft" gibt es nicht, sondern allenfalls einzelne Strömungen in derselben.


Diesen Satz kann ich nicht nachvollziehen. Wenn man als „die Gesellschaft“ das die Menschen verbindende bezeichnet, dann gibt es sehr wohl „die Gesellschaft“. Werden die systemtheoretischen Gedanken Niklas Luhmanns zur Orientierung herangezogen, so ist „Funktionale Differenzierung“ (vgl. „Ökologische Kommunikation“, N. Luhmann) Kennzeichen „der Gesellschaft“. Vor allem das lässt sich in der gebauten Umwelt ablesen. Haben zu feudalherrschaftlicher Zeit Legislative und Judikative bei der Person des Herrschenden gelegen, so sind sie in der heutigen Gesellschaft separiert. Gerade bei uns in Deutschland kommt das auch räumlich zum Ausdruck.
Wird der systemtheoretische Grad der Abstraktion weiterverfolgt, stellen sich die „einzelne(n) Strömungen“ als Programm der Gesellschaft heraus. Womit das Ergebnis dem von jcr gleicht: Es stellt sich die Frage nach der Utopie.

Es kann ausgeschlossen werden, dass eine Antwort durch Aufstellung einer Gestaltungsvorschrift im Sinne eines Stils, sprich durch festlegen von Vorschriften, die die physikalischen Eigenschaften betreffen, zu erreichen ist.
Das Ziel von Gestaltung und damit von jeglicher Art von Entscheidungen muss das Wohlbefinden der Menschen sein. Dem Künstler kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn er „ist der Mensch, der auf jedem Gebiet der Natur- und Geisteswissenschaften, die Tragweite seines Schaffens und der neuen Erkenntnisse seiner Zeit erfasst. Er ist ein Mensch mit vollem und ganzem Bewusstsein“, schreibt Marshall McLuhan in „Understanding Media“. Eine ähnliche Position findet sich in den „Briefe(n) über die ästhetische Erziehung des Menschen“ (Schiller, s. Neunter Brief). Zentrale Bedeutung misst Schiller dem Thema der Würde bei. „Die Menschheit hat ihre Würde verloren, aber die Kunst hat sie gerettet und aufbewahrt(…).“ Demgegenüber stellt Schiller den Begriff des Glücks. Im heutigen Sprachgebrauch wäre „Glück“ durch „Stolz“ zu ersetzen. Und hier zeichnet sich eine abstrakte Beschreibung einer systemtheoretischen Ästhetik ab: Will man ein autopoietisches (ein sich selbst erhaltendes) System (Gegenstand oder Beziehungsgefüge) schaffen, so muss nicht Stolz sondern Würde dessen Eigenschaft sein. Nur eine würdevolle Ästhetik ist selbstreferentiell, während Stolz eines beständig anwachsenden Inputs von Außen bedarf, der dauerhaft nicht zu erbringen ist/erbracht werden wird.


jcr 01.08.2005 21:30

Zitat:

Architektur- und Kunstschöpfungen sind nur im Kontext der Glaubens- und Wissenssysteme erklärbar, innerhalb derer sie entstanden sind.
Zustimmung. "Glaubens- und Wissenssysteme" sind aber nicht alle Faktoren und auch nicht "die Gesellschaft" -- die ist nur ein Allgemeinplatz, der allgemeiner gar nicht geht, um sich vor eventuellen Nachfragen zu schützen. Dieses Schloß ist ein Abbild der Gesellschaft! An diesem Plattenbau ist die Gesellschaft ist schuld! Die homogene und das war von mir gemeint, für etwas zur Verantwortung ziehbare Gesellschaft existiert nicht (Kollektivschuldthese...), es existieren allenfalls Strömungen in derselben, von denen die einen mehr, die anderen weniger sich Einfluß auf das Baugeschehen haben.

Beispiel: Dresdner Altmarkt. Den hat "die Gesellschaft", mit der bei allgemeiner Verwendung nur "das Volk" gemeint sein kann, weitestgehend nicht zu verantworten, mit Ausnahme der Arbeiter, die zwangsweise die Häuser aus dem zerbombten Nichts schaffen mußten. Stattdessen: „Grundsätze eines deutschen Städtebaus“ 1950, Aufbaustädte, Formalismusdiskussion usw., also Ideologien, welche die Architekten zu repsektieren hatten (und die interessanterweise aus der Anwendung eben des genanten retrospektiven Kollektivismus: Pöppelmann-Barock als "progressives Erbe" (stand so in irgendeinem SED-Papier) des Volkes - in der jeweiligen Zeit usw. hervorgegangen sind)

Zitat:

- nur dass Kunstwerke heutzutage in ihrer Aussage wesentlich komplexer sind als z.B. in der Renaissance -
Diese sehr gewagte Aussage bedarf durchaus noch eines Beweises.
Wenn ich mir, um beim Beispiel zu bleiben, das den Kothaufen rechtfertigende Geseiere "Her newest works initiated a profound questioning of the boundaries of the artwork and art practice, challenging the status of art as a privileged object." usw. anhöre, kommen mir da leise Zweifel, denn zu oft täuschen das bloße Übertreten der Konvention und das Marketinggeschwätz der Galeristen über die eigentliche Mediokrät vieler, aber nicht aller heute als Kunst deklarierten Objekte hinweg. Das ist bei der Architektur nicht anders. Wir könnten ja mal eine Seite aus irgendeiner A.-Zeitschrift auf die Interpretationstiefe des Dargestellten hin untersuchen. Wieviel ich an einem Kunstwerk herum- und in es hineininterpretieren kann, sagt nichts über seine Qualität aus.

Guten Abend.


Hinweis: Beiträge haben sich zeitlich überschnitten.

Jochen Vollmer 01.08.2005 21:51

Zitat:

Originally posted by jcr

(...) denn zu oft täuschen das bloße Übertreten der Konvention und das Marketinggeschwätz der Galeristen über die eigentliche Mediokrät vieler, aber nicht aller heute als Kunst deklarierten Objekte hinweg. Das ist bei der Architektur nicht anders. (...)

Volle Zustimmung.


Zitat:


Beispiel: Dresdner Altmarkt. Den hat "die Gesellschaft", mit der bei allgemeiner Verwendung nur "das Volk" gemeint sein kann, weitestgehend nicht zu verantworten, mit Ausnahme der Arbeiter, die zwangsweise die Häuser aus dem zerbombten Nichts schaffen mußten. (...)

Hinweis: Beiträge haben sich zeitlich überschnitten.

s.o.!
"die Gesellschaft" = "das die Menschen verbindende" <> "die Menschen"

Tom 02.08.2005 15:41

@Jochen
Niklas Luhmann ist ein faszinierender Denker - ich bin mir aber nicht sicher, ob seine Theorie (etwa in "Die Kunst der Gesellschaft") auch nur irgendwie praktisch übersetzbar ist. Deine Differenzieurng zwischen Würde und Stolz: Was bedeutet das für den Entwerfer? Ich kann mir vorstellen, dass ein Architekt auf ein würdevolles Haus verdammt stolz sein kann ;). Ich glaube nicht, dass man architektonische Fragen auf der 12. Abstraktionsebene lösen kann. Und ich bin mir nicht mal sicher, wieviel ein Mann wie Luhmann von Kunst und Architektur tatsächlich versteht und ob das für ihn nicht nur flüchtiges "Futter" ist, mit dem er seine (zugegeben: faszinierende) Systemtheorie füllt.

Zitat:

Originally posted by jcr
... "die Gesellschaft" -- die ist nur ein Allgemeinplatz, der allgemeiner gar nicht geht ... [/i]
Absolute Zustimmung. Mit der nötigen Differenzierung im Kopf darf man den Begriff aber durchaus verwenden. Ich kenne übrigens tatsächlich niemanden, der "die Gesellschaft" in dieser pauschalisierenden Form für bauliche Mißstände verantwortlich macht. Deshalb verstehe ich zwar die Kritik an einem "retrospektiven Kollektivismus" - aber ich erkenne die zentrale Bedeutung dieses Begriffs in der aktuellen Architekturdiskussion nicht.

Zitat:

Originally posted by jcr
Wenn ich mir, um beim Beispiel zu bleiben, das den Kothaufen rechtfertigende Geseiere "Her newest works initiated a profound questioning of the boundaries of the artwork and art practice, challenging the status of art as a privileged object." usw. anhöre, kommen mir da leise Zweifel, denn zu oft täuschen das bloße Übertreten der Konvention und das Marketinggeschwätz der Galeristen über die eigentliche Mediokrät vieler, aber nicht aller heute als Kunst deklarierten Objekte hinweg. Das ist bei der Architektur nicht anders. Wir könnten ja mal eine Seite aus irgendeiner A.-Zeitschrift auf die Interpretationstiefe des Dargestellten hin untersuchen. Wieviel ich an einem Kunstwerk herum- und in es hineininterpretieren kann, sagt nichts über seine Qualität aus.[/i]
Auch absolut einverstanden. Die Herausforderung des heutigen Kunst-Betrachters ist die, nichtssagenden Müll von Relevantem zu unterscheiden. Man darf aber auch nicht vergessen, dass sich die Funktion von Moderner Kunst grundlegend von "klassischer" Kunst unterscheidet. Heutzutage sind Kunstwerke ein Mittel, gesellschaftl. Selbstreflexionsprozesse anzustoßen und zu moderieren. In diesem Sinne kann auch ein Hundehaufen in der Glasvitrine noch dem (eigentlich schon verdammt altmodischen) Projekt der Aufklärung dienen (meistens löst er heutzutage ein herzhaftes Gähnen aus). Übrigens: Moderne Kunst hat auch eine Menge mit Humor zu tun und mit Selbstironie ...

Bei der Architekturtheorie hört für mich aber auch der Spass an verbalen Blendgranaten auf (weil da mein ur-eigenes Klärungsbedürfnis berührt ist). Zu schwafelnden Architekten gab es in einer Arch+ einen guten Aufsatz über Peter Eisenmans "Theoriegebäude" (Nr. 156, Mai 2001, S. 104-106, "Eisenman oder die Post-Philosophie"). Da weist die Autorin Satz für Satz nach, dass Eisenmans bedeutungsschwangere Äußerungen vom Standpunkt eines seriösen Geisteswissenschaftlers ab-so-lu-ter Nonsens sind. Eisenman ist eben ein Dichter - kein (Geistes-) Wissenschaftler. Und wenn man das verstanden hat, tut es auch gar nicht mehr so weh :)

Tom 02.08.2005 16:04

Zitat:

Originally posted by Florian
Du irrst, aber das ist nicht so schlimm, "der Mensch irrt, so lang er strebt". (Goethe)
Was Du meinst würde ich dann Weite nennen...[/i]
Dass Maller da danebenliegt, war hier wohl allen klar - aber jetzt hat er es wahrscheinlich auch verstanden ;). Aber was soll der Begriff "Weite"? Es geht einfach darum, dass Architekten den Raum als Kategorie nicht schaffen, aber Räume. So wie Musiker Kompositionen "in der Zeit" schaffen, aber nicht die Zeit selber. Jeder Baum spannt einen Raum auf, jeder Fahnenmast, selbstverständlich eine einzelne Wand - und alles, was darüber hinausgeht. "Ich und Raum" hieß bei uns im ersten Semester die Übung, mit der wir unseren Raumbegriff über den des architektonischen Laien erweitern sollten. Bei den meisten hat es auch geklappt :p

Jochen Vollmer 02.08.2005 16:41

Zitat:

Originally posted by Tom
Ich glaube nicht, dass man architektonische Fragen auf der 12. Abstraktionsebene lösen kann.

Letztlich lassen sich architektonische Fragen nur durch Bauen beantworten. Nur gebautes kommuniziert Architektur durch die Gesamtheit der Architektur konstituierenden Medien. Die Konsequenz dieses Glaubens ist das Architektur-Kommunizieren durch Architektur. Anders formuliert es verbietet sich – dem Glauben entsprechend – Architektur auf anderem Wege zu beschreiben, ja sogar zu denken!
Jede, dem Architekten bereitstehende Methodik besitzt Modellcharakter, zeichnet sich also durch unvollständige Beschreibung, durch Reduktion des Bezeichneten aus. Der Abstraktionsgrad unterscheidet sich von Methodik zu Methodik. Eine Rechnung ist in anderer Weise abstrakt als ein habtisches Modell. Die abstrakteste aller Methoden ist das Denken. Ob es nun die „12. Abstraktionsebene“ ist oder die x. soll gleichwertig sein; jedoch: architektonische Fragen lassen sich nur von dieser Ebene ausgehend beantworten!

Tom 02.08.2005 17:02

Zitat:

Originally posted by Jochen Vollmer
Letztlich lassen sich architektonische Fragen nur durch Bauen beantworten. Nur gebautes kommuniziert Architektur durch die Gesamtheit der Architektur konstituierenden Medien. Die Konsequenz dieses Glaubens ist das Architektur-Kommunizieren durch Architektur. Anders formuliert es verbietet sich – dem Glauben entsprechend – Architektur auf anderem Wege zu beschreiben, ja sogar zu denken!
Theoretische Fragen müssen (und können) schon theoretisch geklärt werden. Das Sprechen über Architektur soll ja nun nicht die Architektur selbst ersetzen.

Zitat:

Originally posted by Jochen Vollmer
Der Abstraktionsgrad unterscheidet sich von Methodik zu Methodik. Eine Rechnung ist in anderer Weise abstrakt als ein habtisches Modell. Die abstrakteste aller Methoden ist das Denken. Ob es nun die „12. Abstraktionsebene“ ist oder die x. soll gleichwertig sein; jedoch: architektonische Fragen lassen sich nur von dieser Ebene ausgehend beantworten!
Ich plädiere nicht gegen das Denken als zu abstrakte Herangehensweise an die Architektur - Du kannst auch nicht einen "denkerischen" Ansatz methodisch gegen einen modellbasierten setzen, weil in der Regel alles zusammenkommt, sich ein Entwurf aus mehreren Quellen speist und auch auf mehreren Ebenen "funktioniert". Ich melde Zweifel an, ob Theoriegebäude vom Kaliber eines Niklas Luhmann, mit höchst-abstrakten Schlussfolgerungen (die in Deutschland nur 2 Leute verstehen), in Architektur ummüntzbar sind.

Florian 02.08.2005 23:51

Zitat:

Originally posted by Tom
Aber was soll der Begriff "Weite"?
Ich glaub ich lag einfach völlig daneben, mit dem was ich aus seinem Posting gelesen habe, aber nach eienem langen Arbeitstag, darf sowas hoffentlich mal passieren.
Ich hatte das Gefühl - das mit der Musik und Zeit war mir um die Zeit schon zu Kopflastig - dass er mir Raum schaffen, Freiraum schaffen verbunden hat...

Egal, er liegt daneben :p

Jochen Vollmer 03.08.2005 12:35

Zitat:

Originally posted by Tom, ID: 10364
Ich plädiere nicht gegen das Denken als zu abstrakte
Herangehensweise an die Architektur

Das ist doch schon mal ein Anfang! :D

@ Tom
Auch mit dem Folgenden hast Du recht: Ein denkerischer Ansatz
ist etwas anderes als ein modellbasierter (die Rede ist hier,
um exakt zu sein, von einem habtischen Modell). Und genau das
ist der Punkt. Ein habtisches Modell ist ein spezifizierter Entwurfs-
ansatz - im Gegensatz zum Denken. Das Denken ist frei. Nur durch
Denken wird es möglich die auf spezifischer Ebene erarbeiteten
Entscheidung auf alle Ebenen des gesellschaftlichen Systems zu
beziehen. Die Miniatur eines geplanten Gebäudes kann dies nicht
leisten, wohl aber Impulse beisteuern.

Insofern besteht, solange Architektur nicht gebaut ist bzw. belebt
wird, nur im Denken die Möglichkeit alles zusammen zu führen.
Findet dieser Rückkoppelungsprozess in ausreichendem Maße statt?
Werden die zur Verfügung stehenden Medien adäquat eingesetzt
um Rückkoppelungen aufzuzeigen?




Zitat:

Originally posted by Tom, ID: 10357
Ich kann mir vorstellen, dass ein Architekt auf ein würdevolles
Haus verdammt stolz sein kann

Ein Mensch, der nach diesen, in Schillers neunten
„Brief(e) über die ästhetische Erziehung des Menschen“
beschriebenen Grundsätzen lebt, ist nicht stolz!


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