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Der Gaertner: Offline

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Der Gaertner is on a distinguished road

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Datum: 17.11.2009
Uhrzeit: 23:39
ID: 36431



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium

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Hallo Florian,
das passende Thema zum heutigen Tag. Und es wird uns noch eine Weile verfolgen. Als einen überzeugten Mittäter bei der Umsetzung von Bologna berührt mich das besonders.

Heute kam eine Protestgruppe von Studierenden in meine Projektveranstaltung und skandierte: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut". Wer würde sich nicht über solchen Bildungshunger freuen?

Zur Sache: Es gibt ganz sicher Unterschiede zwischen einzelnen Hochschulen und Hochschultypen. Fachhochschulen haben es leichter, ein Bachelorprogramm im Sinne des Erfinders so aufzubauen, dass am Ende eine Berufsqualifikation heraus kommt. Schließlich hatten sie seit Beginn der 70er und bis Mitte der 90er-Jahre 6-semestrige Studiengänge, die gut funktionierten und sinnvoll aufgebaut waren. Applied Sciences ist halt doch etwa anderes als Sciences pur.

Schwieriger stellt es sich schon an den Universitäten dar. Soll man bei Architektur und Bauingenieurwesen die Grundlagenfächer zum Vordiplom soweit einschmelzen, dass man bis zum 6. Semester noch irgendetwas beruflich unmittelbar Brauchbares draufpacken kann? Ich denke, das kann nichts werden. Die Forderung, bei Ingenieurstudiengängen dieser Art fundiertes Grundlagenwissen, direkten Anwendungsbezug und einen berufsqualifizierenden Abschluss in 6 Semestern zu vereinen, ist unrealistisch.

Besser wäre schon ein 8-semestriger Bachelor. Wenn man aber konsekutive Studiengänge bei 10 Semestern deckelt, bleibt nur Platz für einen 2-semestrigen Master. Ein lächerliches Format.

Was also soll, was kann Hochschulpolitik?
- Die Forderung, der Bachelor-Abschluss müsse berufsqualifizierend sein, kann nicht ohne jeden Bezug zu Fachgebiet und Hochschultyp aufrecht erhalten bleiben.
- Die Deckelung bei 10 Semestern für konsekutive Studiengänge sollte aufgehoben werden. Die Studienpraxis kümmert sich ohnehin nicht darum.
- Bei Studiengängen, wie z. B. Architektur, wo ein 8 bis 10-semestriges Studium eine Voraussetzung für den Berufseinstieg ist (siehe Europäische Architekten-RL und die UIA-Charta für die Ausbildung von Architekten), sollte die Aufnahmekapazität der Masterstudiengänge nicht künstlich beschränkt werden.

Ein Sonderproblem stellt sich bei den „kleinen“ Architektur-Fachgebieten, den Stadtplanern, Landschafts- und Innenarchitekten. Die Bauministerkonferenz meinte 2005, hierfür genügten 6-semestrige Studiengänge. Das gäbe aber einen extra Thread.
__________________
Wolfgang Ziegler

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Datum: 18.11.2009
Uhrzeit: 06:33
ID: 36435



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium

#2 (Permalink)
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Zitat:
Zitat von Der Gaertner Beitrag anzeigen
Soll man bei Architektur und Bauingenieurwesen die Grundlagenfächer zum Vordiplom soweit einschmelzen, dass man bis zum 6. Semester noch irgendetwas beruflich unmittelbar Brauchbares draufpacken kann?
Ich hatte das Gefühl, dass ich nach den 4 Semestern Vordiplom im Sinne des schulischen Lernens nicht so viel neues gelernt habe...

Die ersten vier Semester waren sehr intensiv. Nicht selten haben wir von morgends um 8 (erste Vorlesung) bis abends nach 22 Uhr (Entwurfsarbeit) studiert. Ich habe daher das Gefühl in dieser Zeit eine sehr gute Ausbildung genossen zu haben.

Das Hauptstudium habe ich vielmehr als eine architektronische Selbstfindung empfunden, bei der vorallem die entwurfliche und theoretische Seite verfestigt wurde.

Da man heute im Büro für das erste Jahr (oder mehr) sowieso als Praktikant geführt wird, könnte man auch diskutieren, warum 14 Semester berufsqualifizierender sind als 6 Semester...
__________________
Florian Illenberger

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Datum: 18.11.2009
Uhrzeit: 12:13
ID: 36443



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium #3 (Permalink)
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Bei mir war es genauso: die 4 Semester Grundstufe waren extrem intensiv.

Man kann aber bestimmt trotz Bachelor das Studium so organisieren, dass die vier Semester Grundstudium + 2 Semester intensive Oberstufe einen Start ins Berufsleben ermöglichen. Wie von Florian gesagt, das Meiste wird sowieso im ersten Berufsjahr gelernt.

Wenn wir ehrlich sind, kann jeder für sich feststellen, dass man durch intensiveres Studieren in der Oberstufe locker 2(-4?) Semester sich hätte ersparen können. Wir alle litten in der Unterstufe unter enormen Druck, und haben dann in der Oberstufe die nächsten beiden Semester erst mal ruhiger (Selbstfindung....) angehen lassen.

Das Problem liegt zur Zeit nicht an der Bologna-Reform, sondern darin, dass die Unis lange Zeit an den alten Inhalten festgehalten haben, und diese auf die zwei Studiengänge, BA und MA, verteilt haben. Die Lehre muss sozusagen Ballast für den BA über Bord werfen, und dann sinnvole Inhalte als Aufbaustudium für den MAster definieren. Mit den Inhalten und Organisation der Oberstufe kann es im neuen System nicht weitergehen, wir brauchen ein klar strukturiertes Schulklassensystem, wie es in Frankreich an den Unis üblich ist. Dort gibt es für Durchfaller Nachklausuren kurz vor Ende der Semesterferien, und bei Nichtbestehen dieser wird das ganze Jahr wiederholt. Nur so kann eine gute gleichmässige Ausbildung gewährleistet werden.

Man sollte sich nur grundsätzlich Überlegen, wo man Praxissemester einbaut, und wie diese in die Studienzeit einzurechnen sind. 6 Semester inklusive 1 Praxissemester sind wahrscheinlich wirklich zuwenig, man sollte wohl eher 6 Semester + 1 Praxissemester ansetzen.

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Datum: 19.11.2009
Uhrzeit: 15:27
ID: 36463



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium #4 (Permalink)
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ich studiere derzeit im 3. semester bachelor an der FH Trier.
"wir" waren der erste bachelor studiengang (architektur) an der fh trier und sind somit zum teil auch eine art versuchskaninchen. das klingt zwar negativ, ist es aber nicht zwangsläufig.

wir starteten mit 28 studenten im ersten semester, dies resultierte aus unglücklichen zugangsvorraussetzungen im vergleich zu umliegenden Hochschulen (Kaiserslautern, Koblenz, Mainz, Saarbrücken), nach nun 2. semestern sind es noch 8 studenten die ihr studium in regelstudienzeit absolvieren können. folglich können wir uns über mangelnde betreuung, volle hörsääle und ähnliches wirklich nicht beschweren.

im aktuellen entwurf sind wir mit zwei professoren auf 10 studenten (2 diplom studenten und 8 bachelor) sehr gut betreut. dies ist den uns nachfolgenden semestern nicht mehr ganz so stark vergönnt. ich glaube das aktuelle erste semester ist mit ca. 80 leuten gestartet und das aktuelle zweite mit ca 40.

einen vergleich zum diplom studiengang habe ich leider nicht, aber euren berichten kann ich entnehmen, dass die ersten semester sehr zeit intensiv waren. im vergleich zum bachelor kann ich euch versichern, hat sich da nichts geändert. es war bereits die ein oder andere nachtschicht nötig um projekte und entwürde frist gerecht abzuliefern, dennoch bleibt auch zwischen drin zeit um zu arbeiten, klar ist das in manchen wochen stress pur, aber es ist möglich.
also ist es immer noch möglich parallel zum studium praktische erfahrung zu sammeln, wenn man dies denn möchte. desweiteren wäre dazu ja auch noch in den semesterferien zeit, wenn einem das während des semesters zu stressig ist.

mir ist auch klar, dass man in 6 semestern nicht das lernen kann was man früher in 8 gemacht hat, aber dafür gibt es ja den master, mit welchem man ja dann über mehr wissen verfügen sollte, als vorher mit dem diplom.
zumindest wenn man es auf die fachhochschulen bezieht.

ist es denn wirklich so wichtig statik III zu machen, oder Baugeschichte II zu machen? klar ist das wissen was einem fehlt, aber es ist doch schon sehr speziell und somit ist es nur sinnvoll dies in einen master zu "packen" damit dies zielgerichtet studiert werden kann oder eben durch themen ersetzt wird, welche den einzelnen mehr interessiert . (beispiel baugeschichte, master denkmalpflege)



@noone
ich sehe es für den falschen weg an nachklausuren (nachtermine) anzubieten. klar in prüfungsfächern (wie statik, baustoffkunde, o.ä.) macht es schon sinn, aber wenn ein entwurf ungenügend war, dann ist es doch schon richtig den komplett neu zu machen und nicht nur ein wenig zu ändern damit es grade so reicht.

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Datum: 19.11.2009
Uhrzeit: 18:36
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AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium #5 (Permalink)
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@ Jarrid:

Durchfallen heisst sowohl bei Prüfungen, als auch bei Entwürfen, dass man sie wiederholen muss.....

Ein Entwurf in kürzerer Zeit in den Semesterferien nachzumachen ist nichts aussergewöhnliches, so etwas gab es zu meiner Zeit in Krankheitsfällen auch schon....


Zu den Studienzahlen: in Kaiserslautern sind die Erstsemestereinschreibungen unter die 40 gefallen, es sind sogar weniger als die Innenarchitekten..... Wobei man natürlich davon ausgehen kann, dass viele Studenten zur Zeit an die letzten Diplomstandorte migriert sind....

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Datum: 19.11.2009
Uhrzeit: 19:04
ID: 36466



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium #6 (Permalink)
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Da selbst 12 oder 14 Semester Diplomstudiun niemanden ausreichend auf den Berufsalltag vorbereiten konnten, sollte man versuchen die Leute so früh wie möglich in den eigentlichen Beruf zu bringen. Weniger ausufernde Großentwürfe um festzustellen was dem Prof schmeckt, sondern vielmehr Einblick in Teilbereiche. Ruhig mehr Themen anschneiden und nicht alles bis zum Ende durchexerzieren. So können Studenten eher einen Überblick bekommen und für mich selbst Schwerpunkte setzen. Natürlich hatte eine lange Studienzeit Vorteile und ließ Freiräume, aber später zählen die Berufsjahre und nicht die Zeit auf der Uni/FH.
Gnadenlos durchziehen und nicht mit schlechten Noten hadern. Die werden eh unter theoretischen Bedingungen erzielt und interessieren in der Praxis keinen mehr. Reflektieren und Orientieren kann man sich dann nach dem Abschluss immer noch.

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Datum: 22.11.2009
Uhrzeit: 21:09
ID: 36484



AW: Bolognareform - Auswirkungen im Architekturstudium #7 (Permalink)
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Ich studiere jetzt im 3.Semester. Und ja, ich fühle mich so. Unter permanentem Druck, was finanzielle Dinge angeht aber auch Noten/Klausuren/Abgaben etc.
Wir können NICHTS wählen (außer Architekturfotografie, wenn man ne Spiegelrefelxkamera hat, sowas unfaires!), haben einen fest vorgegebenen Stundenplan. Wenn einem jetzt noch ne Prüfung aus dem 1.Sem. fehlt, kann man nichts vom 3.Sem. schreiben.

Außerdem: der Bachelor bringt uns Architekten bekanntlich gar nichts. Also muss der Master her, ist ja auch gar nicht so schlecht (vielleicht). Aber, wir (FH AC) sind mit 140 Leuten im 1.Sem. gestarten, aktuell sind wir noch so 120. Masterplätze gibt es 30 (!!!) - Aufnahme nach Notendurchschnitt 2,5, Mappe, Gespräch, Test. Die Wahrscheinlichkeit, an der FH AC seinen Master zu machen ist also recht gering.

Am Rande bemerkt: unsere FH hat ZU VIEL an Studigebühren eingenommen. Was man davon sieht darf man wohl recht kritisch hinterfragen.

Ich bin sicherlich nicht für alles, wofür demonstriert wird, denn über überfüllte Hörsäle oder zu wenig Betreuung können wir uns eigentlich nicht beklagen, aber das Bachelor-/Mastersystem gehört abgeschafft oder grundlegend reformiert.

Und zum Jobben nebenbei: meiner Meinung nach geht das nur, wenn man durchschnittlich mit 4Std. Schlaf pro Nacht auskommt....
Was mir auch noch einfällt, Zeit für's Selbststudium bleibt natürlich auch nicht viel übrig.

Das kann's einfach nicht sein. Und das sagen definitiv nicht nur Studenten, sondern auch Mitarbeiter/Lehrbeauftragte/Professoren!

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